Die schöne Teufelin
hatte er sich ihr nur vorgestellt – das war zwar ein gesellschaftlicher Fauxpas, aber nichts, das für sie von Bedeutung war. Was sonst hätte er beim Anblick einer fremden Frau in einem nächtlichen Garten tun sollen? Sie ignorieren?
Zu ihrer Überraschung lächelte er ihr plötzlich zu und bot ihr seinen Arm. »Der Tau legt sich aufs Gras. Ihre Schuhe werden ganz nass. Sollen wir nicht auf die Terrasse gehen?«
Sein unbekümmerter Tonfall amüsierte Jane, und sie legte ihre Hand leicht auf seinen Arm. Sie wandten sich um und überquerten den Rasen so ruhig, als gingen sie am helllichten Tag im Hyde Park spazieren. Jane hob leicht ihre Röcke, als sie die drei Stufen zur Terrasse hinaufschritt, und stellte fest, dass ihre Slipper und der Saum ihres Kleides tatsächlich vom Tau nass geworden waren. Er führte sie zu einer steinernen Bank, auf der sie sich niederließ. Er selbst stellte einen Fuß darauf und stützte sich mit dem Ellenbogen auf seinem Knie ab.
»Bitte vergeben Sie meine Direktheit, Madam, aber sind wir uns jemals vorgestellt worden?«
Jane schüttelte den Kopf. Es war nicht einmal gelogen. Niemand hatte sie je formell miteinander bekannt gemacht.
»Dann bin ich wohl geradezu entsetzlich unverfroren«, sagte er und lächelte verschmitzt. Himmel, er war verdammt attraktiv! Jane rang erneut ihren beschleunigten Pulsschlag nieder. Sie wollte nur herausfinden, ob er jemand war, der die Peinlichkeit der letzten Nacht vor aller Welt breittreten würde.
»Sind Sie als Gast hier auf der Party?«
Jane schüttelte den Kopf. Sie war eine der Gastgeberinnen, aber das konnte sie kaum mit Handzeichen erklären, nicht wahr?
Mr Damont schien ihre Antwort jedoch etwas anders zu deuten. Er entspannte sich erkennbar. »Ah, dann sind Sie also wie ich eine aus der ungewaschenen Menge. Ich wette, Sie sind Anstandsdame oder Gesellschafterin von den Töchtern des Hauses.«
Jane blinzelte. Plötzlich fragte sie sich, ob das nicht tatsächlich ihre Rolle im Haushalt ihres Onkels war. Um Himmels willen – der Gedanke war ihr noch nie gekommen, aber warum sollte ihr Onkel ein weiteres Mädchen aufnehmen, das unter die Haube zu bringen war, wenn er schon fünf hatte, um die er sich kümmern musste?
Ach, aber sie war die Einzige, die überhaupt eine Chance hatte. Im Gegensatz zu ihren Kusinen war sie vermögend. Mit einem Mal wurde ihr klar, welche Aufgabe sie bei der ganzen Sache hatte … sie war der Köder. Sie sollte die Männer anlocken, die potenziellen Kandidaten anziehen, damit
die Schwestern sich dann einen der von ihr abgelehnten angeln konnten.
Mr Damont hielt ihr Schweigen für Zustimmung und entspannte sich noch mehr. »Die Mädchen sind für ihren Schlag nicht übel. Ich bin nur froh, dass ich nicht auf ihrer Liste stehe.« Er lächelte zu ihr hinab. »Gewöhnlich wie ein Droschkengaul, das bin ich.«
Jane wurde ganz still, gebannt von der plötzlichen Wärme in seinem Blick. Er schaute sie an, als sei sie ein ganz normales Mädchen – nicht »Mylady« oder »die Erbin« oder »reiche Kundin«.
Wenn sie sich nicht sehr täuschte, hatte noch kein Mann in ihrem ganzen Leben sie auf diese Weise angesehen.
Sie lächelte schüchtern zurück, ein echtes Lächeln, ohne einen Hauch gesellschaftlicher Zurückhaltung.
Sein Blick wurde noch freundlicher. »Sie auch, oder?«
Ihr Blick wanderte zu seinem eleganten Halstuch, das nach der neuesten Mode gebunden war, zu dem Rubin, der zwischen den Falten glitzerte. Er folgte ihrem Blick und schaute mild grimassierend an sich herab.
»Alles Tarnung«, erklärte er. Er nickte in Richtung ihres Seidenkleides. »Wie Sie. Wenn Sie in Lumpen gingen, würden Sie nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie müssen wahrscheinlich die Hälfte Ihres Lohns in Kleidung stecken, um den Schein zu wahren«, sagte er mitleidig.
Jane senkte den Blick und glättete ihre Röcke. Sah sie in diesem Kleid wirklich wie eine Gouvernante aus? Es stimmte schon, es war sehr einfach geschnitten …
Plötzlich überkam sie das ungezügelte Verlangen, etwas Aufregendes, Grelles zu besitzen, etwas, bei dessen Anblick Mr Damont die Augen aus dem Kopf fallen würden.
Dabei war es ihr egal, was ihm gefiel. Völlig egal. Aber da gab es dieses saphirblaue Seidenkleid, das sie neulich in der Auslage der Schneiderin gesehen hatte …
Ethan schaute seine Begleiterin an. Einmal abgesehen von diesem einen ungehinderten, überraschend ansteckenden Grinsen, war sie kaum in der Lage gewesen, in
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