Die schöne Teufelin
irgendwo erwischt werden wollte, wo sie nicht hingehörte; Lady Maywells Schlafzimmer lag jedoch nicht weit von ihrem eigenen entfernt. So schnell und leise sie nur konnte, tappte sie durch die Flure. Vor der Tür zum Schlafzimmer ihrer Tante blieb sie stehen. Wenn die Zofe ihrer Tante im Zimmer war, musste Jane einen Vorwand für ihr Eintreten äußern, einen Vorwand, der möglicherweise später untersucht werden würde.
Ach was, den Mutigen gehörte die Welt! Jane atmete tief ein und drückte die Türklinke nach unten.
Das Zimmer war leer. Wenn sie sich beeilte, müsste sie den Schlüssel benutzen und den Schlüsselbund wieder zurückbringen können, bevor es irgendwem auffiel, dass er fehlte.
Jane drehte sich um und verließ das Zimmer. Im Flur zwang sie sich, so zu gehen, als fühle sie sich etwas schwach, bis sie einen Trakt des Hauses erreichte, in dem sich niemand aufhalten würde. Dann rannte sie los, und ihre Slipper erzeugten auf dem Läufer ein Geräusch wie Flügelschlagen.
Eilig probierte sie fünf willkürlich gewählte Schlüssel. Dann ließen ihre nervösen Finger den Schlüsselbund auf den Teppich fallen, und sie wusste nicht mehr, welche sie ausprobiert hatte.
»Oh, Mist!«, zischte sie. Dann zwang sie sich, sich zu beruhigen. Zielgerichtet versuchte sie es mit dem ersten Schlüssel, dann dem nächsten und wieder dem nächsten, bis nur noch zwei übrig waren.
Der zweitletzte Schlüssel glitt ohne Schwierigkeiten in das
Schlüsselloch. Als sie ihn drehte, gab das Schloss gut geölt nach. Die Tür stand offen.
Schnell nahm sie ihre Kerze und huschte durch den Spalt.
Lord Maywells Haus war sehr vornehm, obschon Ethan bemerkt hatte, dass es an den Kanten etwas zu bröckeln angefangen hatte. Offensichtlich war jedoch, dass im Kartenzimmer Seiner Lordschaft keine Kosten gescheut wurden. Vornehme gepolsterte Stühle, dunkelgrüner Filz auf der Tischplatte – selbst der Kronleuchter war eine Sonderanfertigung, bei dem der Lichtschein nach unten auf die Karten fiel, ohne die Spieler dabei zu blenden. Ethan wusste das, weil er selbst vorhatte, so einen eines Tages bei sich zu Hause anbringen zu lassen.
Es war ganz offensichtlich, dass Seine Lordschaft das Kartenspiel sehr ernst nahm.
Ethan setzte sich auf den verbliebenen freien Platz und nickte Lord Maywell entschuldigend zu. »Ich bitte um Verzeihung, Mylord.«
Maywell starrte ihn einen Moment lang an. Offenbar erwartete er eine Erklärung, aber Ethan blieb sie ihm schuldig. Was hätte er dem Mann sagen sollen? Schwerlich, dass er sich an Lady Jane Pennington gerieben hatte.
Die Karten wurden gegeben. Ethan konzentrierte sich aufs Spiel. Er hatte heute keine zusätzlichen Karten dabei, denn er hatte sich geschworen gehabt, nicht hierherzukommen. Er musste sich auf die Grundlagen beschränken – Beobachtung, Verwirrung, Bluffen – um so den Grundstock dafür zu legen, dass Lord Maywell gewann.
Wenn Seine Lordschaft beim Kartenspiel gegen Ethan gewann,
würde er wahrscheinlich keine weiteren diesbezüglichen Einladungen aussprechen. Und ohne diese Einladungen konnte der Liar’s Club schwerlich von Ethan verlangen, mit diesem Wahnsinn fortzufahren.
Aber leider gewann Maywell nicht.
Ethan beobachtete die Karten und die anderen Spieler genau. Die anderen Kerle am Tisch waren alle aus demselben Holz geschnitzt. Sie spielten mit einer gewissen Sorglosigkeit, so wie es von einem Gentleman erwartet wurde. Man regte sich nicht darüber auf, ein paar Pfund am Kartentisch zu verlieren. Einen so trivialen Verlust überhaupt zu kommentieren würde als Zeichen gedeutet, dass man nicht wirklich solvent war – und das galt in der besseren Gesellschaft als geradezu tödliches Schicksal.
Nein, von denen mischte sich niemand in seine Leitung des Spielgeschehens ein. Also blieben nur er selbst und Lord Maywell, und obwohl Ethan nicht mit ganzem Herzen dabei war, war es ihm ein Leichtes, ein solches Spiel zu manipulieren. Schließlich fügte sich Ethan und ließ Seine Lordschaft verlieren. Als die Karten neu gemischt wurden, lehnte sich Ethan zurück und betrachtete Lord Maywell durch den driftenden Tabakrauch.
Maywell tat es ihm gleich und musterte Ethan.
Nun, das lief nicht gerade so, wie geplant. Ethan musste sich etwas anderes einfallen lassen, um nie mehr eingeladen zu werden. »Ihre Nichte scheint mir eine feine junge Dame zu sein«, sagte er beiläufig.
Maywell nickte. »Sie ist uns recht ans Herz gewachsen«, entgegnete er tonlos.
Ethan zog
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