Die schöne Teufelin
langen, schmerzhaften Atemzug. Jane hatte ihn geschlagen, wenn sie das nur wüsste.
Er hatte immer gewusst, dass er nie das haben würde, was Collis hatte, oder auch Etheridge. Er war nicht so ein Mann – einer, zu dem die Frauen zurückkehrten, und zwar nicht nur aus Gründen momentaner Befriedigung. Keine hatte ihn je geliebt. Warum sollten sie auch?
Er war nicht mehr, als sein Vater immer gesagt hatte – schwach, selbstsüchtig, unmoralisch. Er hatte sein Bestes gegeben, an jedem Tag seinem schlechten Ruf gerecht zu werden, bis er feststellen musste, dass es die absolute Wahrheit war.
Und dann traf er eine Frau … eine Frau wie Lady Jane Pennington … die ihn davon träumen ließ, mehr zu haben, mehr zu sein …
Was für sie beide nicht gut war. Früher oder später würde er sie enttäuschen. Er war sich ziemlich sicher, dass sie früher oder später etwas von ihm verlangen würde, was er ihr nicht geben konnte. Sie würde mit leeren Händen dastehen, wie jeder, der bisher von ihm abhängig gewesen war.
Deshalb hatte er heute Nacht versucht, sie davor zu bewahren. Er hatte vorgehabt, sie zu brechen, zu schockieren, sie über ihre Grenzen gehen zu lassen und so tief zu verletzen, dass sie für immer von ihm davonrennen würde.
Und doch war auch Ethan nach dieser Erfahrung ein gebrochener Mann. Gott, sie hatte ihm so sehr vertraut, war so liebreizend, so offen, so wild in ihrem Verlangen …
Nichts in seiner verderbten und abwechslungsreichen Vergangenheit hatte ihn auf das Privileg und die Ehre vorbereiten können, die es bedeutete, Lady Jane Pennington auf ihrer ersten sexuellen Entdeckungsreise zu begleiten. Nichts, das er in der Zukunft möglicherweise erleben würde, war damit vergleichbar.
Er war ruiniert.
Ruiniert für alle Frauen außer der einen, die nie wieder etwas für ihn empfinden würde.
»Was habe ich bloß getan?«
Lady Boswell eilte Jane entgegen, als diese die Stufen zum Hauseingang hinaufstieg und die Eingangshalle betrat. Die musikalische Soiree hatte bereits begonnen. Gerade ließ eine Sopranistin die Gäste an ihrem mittelmäßigen Talent teilhaben.
»Bitte entschuldigen Sie die Verspätung«, stieß Jane aus. »Aber der Verkehr …«
»Jane, Liebes. Geht es Ihnen nicht gut?« Lady Boswell blinzelte sie besorgt an. »Sie sehen so fiebrig aus.«
Jane drehte sich um und warf ein Bild auf ihre Reflexion im großen Spiegel der Eingangshalle. Gütiger Himmel! Kein Wunder, dass ihre Gastgeberin so besorgt war. Jane erkannte die blasse Gestalt mit den hellroten, fiebrigen Flecken auf beiden Wangen kaum wieder. »Die Kutsche hat so geschaukelt.« Sie presste beide Hände auf ihre Wangen. »Ich …«
Ich will hier weg, ich will nicht länger in London bleiben, ich will nicht länger allein sein, ich will nach Hause, ich will zu meiner Mutter, aber ich werde sie nie, nie mehr im Leben sehen. Tränen stiegen in ihr auf, und Jane hatte Angst, dass sie nie wieder aufhören würde zu weinen, wenn sie erst einmal damit angefangen hatte. Mit ihren Tränen würde sie London in Venedig verwandeln.
Dieser Gedanke ließ sie in wildes Gelächter ausbrechen. Lady Boswell schaute sie an, als müsste sie verrückt sein. Und in diesem Augenblick hätte Jane nicht beschwören können, dass sie es nicht war.
»Ich glaube … ich glaube, ich kehre besser nach Hause zurück«, brachte sie mit Mühe heraus.
Lady Boswell nickte mitleidig. »Ja, Liebes. Das denke ich auch. Ich sage dem Burschen Ihres Onkels, er soll die Kutsche wieder vorfahren lassen …« Die Frau rannte buchstäblich davon.
Fast lachte Jane erneut. Dem Burschen Ihres Onkels. Im Besitz ihres Onkels, mit Jane gekauft und bezahlt – was war sie doch für ein Schaf!
Dem Burschen Ihres Onkels. Bei dieser geradezu unglaublichen
Untertreibung hätte Jane sich am liebsten auf die Marmorstufen des Eingangs gesetzt und wäre in unkontrolliertes Gelächter ausgebrochen. Sie verkniff es sich, biss sich auf die Unterlippe, bis sie blutete. Es machte ihr nichts aus. Aber sie wollte verhindern, dass sie sich noch mehr zum Gespött machte, als dies ohnehin schon geschehen war. Mehrere Leute waren bereits in die Eingangshalle gekommen und hatten beobachtet, wie sie wieder hinaustaumelte. Morgen würde die Gerüchteküche über Lady Jane Pennington und ihre rätselhafte Kutschenkrankheit brodeln.
Fast hätte sie wieder angefangen zu kichern. Wenn die nur wüssten!
Nur der Gedanke, noch eine gefährliche Sekunde länger öffentlich zur
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