Die schöne Teufelin
Schau zu stehen, trieb Jane dazu, zu Ethan Damont in die Kutsche zurückzusteigen. Vor ihm brauchte sie ihre Verwirrtheit und ihren Schmerz nicht zu verbergen. Vor ihm konnte sie frei ihre Sorge äußern …
Und warum war das so?
Oh, lieber Gott! Sie vertraute ihm doch wohl nicht noch immer? Wie konnte das sein, nachdem er sie derart erniedrigt, nachdem er ihr das angetan hatte?
Und noch schlimmer: Nachdem er ihr befohlen hatte, das zu tun.
Und sie hatte es getan. Eisiger Schrecken durchfuhr sie, als sie sich ihrer eigenen Einfalt gewahr wurde. Sie hatte willenlos und ohne Verstand jedes Wort befolgt, das von seinen Lippen kam, hatte jeden erotischen Befehl, jede köstliche, verruchte, lustvolle …
Während die Kutsche knirschend ihren Weg ums Haus zurücklegte und vor ihr zum Stehen kam, erlangte Jane die überraschende Erkenntnis – nein, die schockierende Gewissheit
-, dass sie es wieder tun würde, wenn er sie darum bäte.
Ethan konnte es kaum glauben, als der Verschlag der Kutsche aufschwang und Lady Jane wieder hereinkletterte – nur wenige Minuten, nachdem sie ihn so fluchtartig verlassen hatte.
»Was machst du … ich dachte … ich dachte, die Kutsche würde weggefahren …«
»Wird sie auch«, erklärte Jane brüsk. »Sie wird nach Maywell House zurückgefahren.«
Es fehlte nicht viel, und Ethan wäre in Panik ausgebrochen. Er hatte nicht damit gerechnet, ihr so bald wieder gegenüberzusitzen. Seine Lenden standen immer noch in Flammen, seine Gedanken waren gerade über die Erkenntnis hinweg, dass er sie verloren hatte. Er brauchte diese Stunden, um seine Gedanken zu ordnen, um zu entscheiden, was er sagen wollte, um sich vor ihrem Schmerz zu schützen …
Warum zeigte sie keinen Schmerz? Sie sollte sich vor Verlegenheit winden, müsste sprachlos vor Scham sein …
Er wusste, dass es zumindest ihm so ging.
Jane hingegen saß ihm kerzengerade gegenüber. Ihr Kinn war gereckt, ihre Augen trocken, ihr funkelnder Blick fixierte ihn.
Ärger. Das war der einzige Fetzen von Sinnhaftigkeit, der durch Ethans Verwirrung drang. Wenn eine Frau einen Mann so ansah?
Dann bedeutete das Ärger.
»Mr Damont -«
Ein überraschtes Lachen brach über seine Lippen. »Bitte«, brachte er hilflos hervor, »sag Ethan zu mir.«
Sie runzelte die Stirn. »Mr Damont«, sagte sie streng. »Es gibt da etwas, worüber wir reden müssen.«
Obwohl er sich ziemlich sicher war, was sie damit meinte, täuschte er Unwissenheit vor. »Ich kann mir nicht vorstellen, was das sein könnte.« Verdammt, er war es so müde, sich ständig zu verstellen.
»Wir müssen über Ihre Verbindung zu meinem Onkel reden, zu Lord Maywell.«
»Äh, ich muss zugeben, dass ich damit nicht gerechnet habe.« Er wiegte den Kopf und sah sie überrascht an. »Ich dachte eher, Sie würden mich wegen … wegen der Sache vorhin beschimpfen.« Er machte eine vage Handbewegung, die das Innere der Kutsche einschloss.
Lady Jane wischte dieses Thema brüsk beiseite. »Das war nicht von Bedeutung, Sir.«
Nicht von Bedeutung? Die schiere, verdammte, hoffnungslose Bedeutung davon hatte ausgereicht, ihn vor wenigen Minuten fast in Tränen ausbrechen zu lassen! Ethan tippte sich mit zwei Fingern an die Lippen. »Ich scheine überhaupt nichts mehr richtig vorhersagen zu können«, wunderte er sich laut.
»Nein. Viel wichtiger ist im Augenblick, dass mein Onkel versucht, Sie in seine Dienste zu pressen, Mr Damont. Er ist ein Verräter der Krone.« Sie lehnte sich zurück. Sie war ein Vorbild an tugendhafter Würde und sturer Rechtschaffenheit. Sie rettete ihn . Es war verdammt süß von ihr.
Fast hätte er sich ihr an Ort und Stelle offenbart. Fast hätte er ihr die ganze Geschichte erzählt, angefangen mit Rose Lacey, die an seine Tür pochte, bis zu diesem Nachmittag in Carlton House. Er sehnte sich danach, es ihr zu erzählen.
Und wenn das hier ein Test ist? Dieser dunkle, heimtückische
Gedanke ließ ihn nicht mehr los, nachdem er einmal gedacht war. Wenn nun dieser tugendhafte Eifer, der erotische Mut der letzten Stunde, die Sache im Salon, das Treffen im Hutgeschäft, selbst die verdammte Ulme …
Nein. Nein, das konnte nicht alles zu einem komplizierten Netz gehören, das ihr Onkel gesponnen hatte, um ihn einzufangen. Es konnte unmöglich sein!
Aber vielleicht doch. Schließlich war sie wieder hier, mit ihm allein in dieser Kutsche, bat um immer mehr und kümmerte sich nicht darum, dass bei seinem Verhalten jede anständige jungfräuliche
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