Die schöne Teufelin
ganz für sich allein blieb.
Sie wünschte, sie hätte wirklich magische Kräfte, statt nur die Gabe, genau beobachten zu können. Wills Name hatte sie von seiner Begleiterin erfahren. Den zweiten und dritten Punkt hatte sie von seiner Kleidung und dem Hersteller der Frauenschuhe abgeleitet. Mayfair war geraten, aber den letzten Punkt hatte sie in dem leeren, unzufriedenen Ausdruck seiner Augen gesehen – und es war eine Erfahrung, die sie selbst nur zu gut kannte.
Es war merkwürdig, aber sie hatte sich nicht mehr so gefühlt, seit sie Ethan Damont kannte.
Ach ja, Ethan …
Sie ließ den Kopf auf ihre verschränkten Arme sinken, verschloss sich vor dem Krankenhaus, so gut sie nur konnte. »Wo bleibst du nur, du verdammter Mistkerl?«
Leichte Schritte hielten vor Janes Zelle an. »Sieh dir nur diese erbärmliche Kreatur an, Liebling«, sagte eine kühle weibliche Stimme. »Ist sie nicht seltsam? So ganz anders als die übrigen.«
Jane regte sich nicht. Ihre Stirn lag auf ihren verschränkten Armen, die sie auf ihre angezogenen Knie stützte. Den größten Teil des Tages war es ihr gelungen, die Aufmerksamkeit der Besucher nicht wieder auf sich zu ziehen. Sie hatte herausgefunden, dass sie einfach weitergingen, wenn sie sie
langweilte. Sicherlich musste die Besuchszeit bald vorbei sein. Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte so teilnahmslos wie möglich zu erscheinen.
Ein schwerer Schritt näherte sich dem ersten. »Ach, ich weiß nicht, meine Süße«, ließ sich eine männliche Stimme vernehmen, eine Stimme, die Jane so gut kannte wie ihre eigene. »Sie kommen mir alle irgendwie gleich vor.«
Ethan. Endlich! Jane riss den Kopf hoch. Er stand vor ihrer Zelle und schaute sie ruhig an. Seinen Arm hatte er um die Taille einer Frau gelegt – eines weiteren grell geschminkten Vögelchens, aber dieses hier war wirklich schön. Ihre Wangen und ihr Haar, das unter der tiefen Haube hervorlugte, verrieten, dass sie vom selben Typ war wie Jane, aber damit war es mit der Ähnlichkeit auch schon vorüber. Jane wusste, wenn jemand schöner war als sie.
Sie konnte die beiden einen Moment lang nur dümmlich anblinzeln. Dann hatte sie sich von ihrer Überraschung erholt. Sie schluckte ihre Enttäuschung und dieses merkwürdig stechende Gefühl herunter, Ethan mit einer anderen zu sehen. »Eth-«
Er unterbrach sie gewandt. »Glaubst du, dieser schreckliche Wärter kann uns hier sehen, meine Liebe?«
Jane öffnete den Mund, aber die andere Frau antwortete. Jane zuckte zusammen, dann schimpfte sie im Stillen mit sich. Ethan hatte sie nie so genannt. Es gab keinen Grund, warum er ausgerechnet jetzt damit anfangen sollte.
»Ja, ich glaube schon. Außerdem hat der Schuft mich die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen, seit wir an ihm vorbeigegangen sind.«
Ethan wandte den Blick von Jane ab und schaute leidenschaftlich in die Augen von »meine Liebe«. »Das ist mir
egal«, sagte er heiser. »Ich halte es keinen Augenblick länger aus, ohne dich in die Arme zu nehmen.«
»Oh, Liebling!«
»Oh, Bess!«
Vor Janes ungläubigen Augen fielen Ethan und die andere Frau – Bess? – sich leidenschaftlich in die Arme. Falls das der Versuch sein sollte, sie zu befreien, dann war es ein verdammt armseliger. Was wollte er damit bezwecken? Dass sie sich ihren Weg aus Bedlam freikotzte?
Janes Zellengitter bebte. Sie schaute wieder hin und bemerkte, dass Ethan sein Vögelchen an die Gitterstäbe presste, während er leidenschaftlich ihren Hals küsste.
Offenbar war das nichts Außergewöhnliches in Bedlam, denn die anderen Insassen fingen an, das Paar anzufeuern. »Das ist’ne ganz Scharfe, Sir!« »Besser, Sie löschen ihr Feuer, bevor sie uns alle abfackelt.«
Jane wollte bereits eine Erklärung verlangen, als sie sah, wie Ethan sich an Bess’ Hals herunterküsste und vor ihr niederkniete. Zum ersten Mal fiel Jane auf, dass das Kleid, in dem Bess so gut aussah, seit mindestens zehn Jahren aus der Mode war. Die Taille war verstärkt, und die Röcke waren unerhört weit. Wenn Jane es getragen hätte, hätte man sie auf der Straße ausgelacht.
Leider sah Bess darin einfach umwerfend aus.
Ethan ließ sich auf ein Knie nieder und sah anbetend zu Bess auf. »Mein Liebling, ich muss einfach.«
Bess nickte ungeduldig. »Dann mach, mein Hengst!«
Jane schaute von einem zum anderen. Sie war vollkommen verwirrt. Wollte Ethan dieser Bess einen Antrag machen? Er versuchte sie umzubringen, das musste es sein.
Es war kein
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