Die schöne Teufelin
kleinen Spalt zukneifen.
Sie schloss sie nicht ganz. Jetzt würde auch Ethan kommen. Inzwischen hatten einige Besucher sich ihren Weg auf die obere Galerie gebahnt. Jane suchte die Menschenmenge nach seinem Gesicht ab, aber ohne die Hilfe ihrer normalen Größe konnte sie nicht über die Leute sehen, die sich vor ihrer Zelle versammelt hatten.
»Diese hier ist nicht so schäbig wie die anderen«, rief eine Dame ihren Begleitern zu.
»Nein, tatsächlich«, antwortete eine zweite. Sie stellten sich dicht an die Gitterstäbe, um Jane zu bestaunen. Sie hielten ihre Röcke hoch über dem schmutzigen Boden und zeigten ungeniert ihre in Spitze gehüllten Knöchel.
Jane revidierte ihre ursprüngliche Meinung. Das hier waren keine Damen, das waren angemalte Frauen von zweifelhaftem Ruf, die an den Armen ihrer Bewunderer umherschlenderten.
Sie erwiderte ihre Unverschämtheit, indem sie sie finster musterte.
»Seht nur, wie sie uns anstarrt«, sagte die erste Frau. Sie kniff die Augen zusammen. »Wills!« Sie tippte ihrem Begleiter heftig auf die Schulter, wobei sie ihren harten Blick nicht von Jane wandte. »Wills Barstow, sorg dafür, dass sie aufhört, mich so anzustarren!«
Wills, ein puddinggesichtiger Kerl von vielleicht fünfundzwanzig Jahren, der offensichtlich mehr Geld besaß als Geschmack oder Verstand, schlug mit seinem Spazierstock an die Gitterstäbe von Janes Zelle. »He, du! Hör auf, die Damen anzustarren!«
Jane schaute ihn ungerührt an. »Ich sehe hier keine Damen, Sie etwa?«
Die beiden Frauen keuchten auf, offenbar waren sie über die Anschuldigung entrüstet. Fast hätte Jane die Augen verdreht. »Wenn es Ihnen etwas ausmacht, dass man Sie nicht für Damen hält«, riet sie ihnen freundschaftlich, »dann sollten Sie vielleicht nicht so viel Farbe auftragen.« Sie verschränkte die Arme und tadelte sanft. »Und so viel Bein in der Öffentlichkeit zu zeigen! Also wirklich! Was würden Ihre Mütter dazu wohl sagen?«
»Hehe!« Wills war jetzt sehr verärgert. Sein Gesicht wurde ganz rot, und er steckte seinen Stock zwischen den Gitterstäben durch und versuchte, damit nach ihr zu schlagen.
Eine bessere Gelegenheit würde sich ihr nicht bieten. Jane griff nach dem Stock, als er dicht an ihr vorbei durch die Luft zischte, und verfehlte ihn nur knapp. Der zweite Schlag traf sie hart an den Fingerknöcheln, sodass sie bluteten, aber sie ließ nicht nach in ihrem Bestreben, ihn zu greifen. Wenn sie ihn doch bloß zu fassen bekäme …«
Einer der uniformierten Wärter kam heraufgestürmt. »Oh, Sir! Bitte schlagen Sie nicht nach den Insassen! Wenn einer von den Weltverbesserern ihre blauen Flecken sieht, dann heißt es wieder, wir würden die Weiber misshandeln!«
Widerwillig zog Wills seinen Spazierstock aus Janes Reichweite. Sie starrte den Wärter an, der ihre Chance, an eine Waffe zu kommen, zunichtegemacht hatte. Er überraschte sie mit einem gezielten Tritt durch die Gitter. Sein schwerer Stiefel traf sie genau unter dem Knie und ließ sie vor Schmerz aufschreien und zu Boden fallen.
»Sehen Sie?« Der Wärter nickte zufrieden. »Da fällt’s nicht weiter auf.«
Die grell geschminkten Frauen lachten gehässig. Wills spuckte auf Janes am Boden liegenden Körper und traf sie mitten im Gesicht. Ruckartig hob sie den Kopf und starrte ihn an. Ihr Zorn ließ ihn einen Schritt zurückweichen.
»Sie heißen Wills Barstow«, sagte Jane ruhig. Gefährlich. »Sie kaufen in der Bond Street ein und holen sich Ihre Frauen am Shepherds Market. Sie leben in Mayfair in einem feinen Haus, und jeden Nachmittag wachen Sie auf und fragen sich, ob das alles in Ihrem Leben gewesen sein soll.«
Wills stand vor Entsetzen der Mund offen. Sein Gesicht wurde aschfahl, als er drei Schritte zurückwich. »Guter Gott! Sie ist eine … eine Hexe!« Er schluckte schwer, dann drehte er sich auf dem Absatz um und rannte davon, überließ es seinen Begleiterinnen, ihm zu folgen, so gut sie konnten.
Jane lächelte sacht und setzte sich wieder in ihre Ecke.
Die Frau zu ihrer Rechten, die die ganze Begebenheit fasziniert beobachtet hatte, schaute sie bestürzt an. »Oh, woher wusstest du das alles?«
Jane neigte den Kopf und lächelte die Frau freundlich an. »Haben Sie nicht gehört, was er gesagt hat? Ich bin eine Hexe.«
Die Frau wich so weit sie konnte vor Jane zurück. Jane hatte ein klein wenig Gewissensbisse, dass sie die Alte so sehr erschreckt hatte, aber es war wirklich das Beste für alle Beteiligten, wenn Jane
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