Die schoene Tote im alten Schlachthof
verstehste, bist halt kein echter Mann, sondern nur so ’n
verklemmter Puffgänger.«
Ferschweiler war fassungslos. Wie sprachen die beiden Künstler denn
mit- und übereinander?
Otmar Wolters begann mit seiner rechten Schulter zu zucken, offenbar
ein Tic, der dann zutage trat, wenn er nervös war.
»Wissen Sie, der saubere Herr Breesich meint, an der Akademie so
etwas wie einen eigenen Harem zu haben, aus dem er sich ganz frei und nach
Belieben bedienen kann«, sagte er zu Ferschweiler. »Spricht den ganzen Tag nur
versautes Zeug und fasst die Teilnehmerinnen an.« Und an Breesich, der immer
noch völlig unbeeindruckt dastand, gerichtet: »Du solltest dich was schämen.«
Breesich nahm die Arme runter und steckte beide Hände in die Taschen
seiner Jeans, die genauso kanariengelb waren wie sein übriges Outfit. Selbst
die holländischen Holzschuhe an seinen Füßen waren von dieser Farbe.
»Chef«, wandte er sich breit grinsend wieder an Ferschweiler. »Glauben
Se dem Würstchen ma bitte kein Wort, ja. Der quatscht nur gequirlten
Dünnschiss. Wat anderes kann der gar nicht, der Schlappschwanz. Neidisch ist
der, dass in meinen Kursen immer die schnuckeligen Dinger sitzen und sich
darauf freuen, einmal den Utz so richtig intensiv spüren zu können, wenn Sie
wissen, was ich meine. Und bei dem hier«, Breesich wies durch ein leichtes
Recken des Kinns auf Wolters, »sitzen nur dir alten Vetteln, die sich lieber an
Kaffee und Kuchen und nicht an ihrem Dozenten erfreuen. Meine Arbeiten hängen
in den Museen dieser Welt und deine noch nich mal beim Zahnarzt deines
Vertrauens. Aber ich weiß halt mit meinem Pinsel zu beeindrucken, während man
deinen erst noch suchen muss.«
Ferschweiler wurde es zu bunt. »Meine Herren«, sagte er, »ich muss
doch sehr bitten. Ich wollte mit Ihnen über Frau Rosskämper sprechen und nicht
in Ihre privaten Streitigkeiten hineingezogen werden. Also, zur Sache. Wie war
Ihre Beziehung zu der Verstorbenen?« Wieder schaute er Breesich zuerst an.
»Wie gesacht, Chef. Ich bin nich böse drum, dat se wech is. Klar,
die hatte ’ne tolle Figur und sicherlich auch ’nen guten Rhythmus im Becken,
vorne wie hinten. Aber ma ehrlich, wer will denn mit so ’ner Matratze wat
anfangen? War doch durch, die Gute. Is so, kannste mir glauben.«
Wolters’ Schulter zuckte schon wieder, aber er blieb ruhig.
»Also kannten Sie Frau Rosskämper recht gut?«, schlussfolgerte
Ferschweiler.
»Na ja …« Breesich schien der Frage ausweichen zu wollen. »Ich
kannte so dat eine oder andere Detail von ihr, nä, aber kennen, so im Sinne von
›wissen, wat die so bewegt hätte‹, nee, dat tat ich nich. Interessierte mich
auch nich. Mit der Kunst, die die Rosskämper immer fabriziert hat, konnte ich
auch nicht viel anfangen. Scheußlich. Immer nur Blut, Elend und Angst.«
Breit stand ihm das Grinsen im Gesicht, von Pietät keine Spur. Da
schien Wolters es nicht mehr auszuhalten.
»Du Dreckskerl! Wie kannst du nur so über Melanie reden? Sie ist
noch keine vierundzwanzig Stunden tot, und was machst du? Du reduzierst sie
bloß auf ihren Körper. Du bist echt der größte Prolet, der auf der Erde
herumläuft.«
»Besser ’n Assi mit Niveau und ’nem ordentlichen Riemen in der Hose
als so ’ne Lusche wie du mit nix als heißer Luft in der Buchse«, konterte
Breesich kühl. Wieder an Ferschweiler gerichtet, sagte er: »Die hat doch alle
nur ausgenutzt, die Schlampe. Hat mit jedem gefickt, der wollte, Hauptsache,
sie hatte ’nen Nutzen davon. Fragen Se ma die andern Typen, ja fragen Se die
ma. Sie werden schon sehn, wat die so berichten. Nur den Donald Duck hier«, er
nickte knapp in Wolters’ Richtung, »den brauchen Se danach nich zu fragen. Der
hätte bei der keinen Stich bekommen. Wie auch? Und vor allem: womit denn?«
Wieder zeigte Breesichs Gesicht dieses breite, fiese Grinsen.
»Und Sie, Herr Wolters?«, wandte sich Ferschweiler unbeeindruckt von
Breesichs Urteil an den anderen Dozenten. »Wie war Ihre Beziehung zu der
Verstorbenen? Kannten Sie sie gut?«
»Pfffff«, machte Breesich, noch bevor Wolters überhaupt antworten
konnte. »Vorsicht, jetzt kommt ganz viel heiße Luft …«
Wolters, dessen rechte Schulter unentwegt zuckte, antwortete Ferschweiler
in ruhigem Ton und schien diesmal nicht auf die Provokation seines Kollegen zu
achten: »Nein, ich kannte sie nicht besonders gut. Sie hatte andere
künstlerische Ambitionen als die, die ich vertrete und in meinen Kursen
vermittle. Sie wollte nur
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