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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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der Lithowerkstatt, seinem neuen »Verhörraum« hier in
seinem Kiez. Dort war er für neun Uhr mit Doris Egger verabredet. Im Gehen
drehte er sich jedoch noch einmal wie beiläufig zu Helena Claus um und fragte:
»Sagen Sie, Frau Claus, hat Ihnen Herr von Stiependorf eigentlich vor Kurzem Öl
geschenkt, Speiseöl, meine ich?«
    »Ja«, antwortete sie, ohne zu zögern. »Wunderbares Walnussöl, wie
ich es liebe! Ich backe für mein Leben gern damit und nutze es auch für eine
spezielle Vinaigrette, deren Rezept in meiner Familie seit Generationen
weitergegeben wird. Herr von Stiependorf kennt meine Leidenschaft, seit er
einmal ein Stück meines nicht nur hier an der Akademie legendären schwedischen
Walnusskuchens probiert hat. Er hat sofort erkannt, worin das Geheimnis des
Kuchens liegt. Niemand zuvor war jemals darauf gekommen, er aber sofort! Und
seitdem bekomme ich von ihm immer, wenn er wieder einen Kurs belegt,
unaufgefordert eine kleine Flasche von diesem wunderbaren Öl geschenkt. Es ist
so rein, so aromatisch – so was kannte ich bis dahin noch gar nicht. Wo er
es wohl herhat? Bestimmt direkt aus dem Périgord.«
    »Haben Sie noch etwas von dem Öl, das er Ihnen beim letzten Mal
geschenkt hat?«
    »Nein.« Helena Claus schüttelte den Kopf. »Ich habe an dem Abend, an
dem er es mir geschenkt hat, direkt mehrere Kuchen gebacken. Das mache ich
immer so, wenn ich die richtigen Zutaten bekommen kann. Ich friere den Kuchen
dann ein und habe so das restliche Jahr über immer etwas zum Naschen oder zum
Verschenken. Soll ich Ihnen morgen vielleicht ein Stück mitbringen? Ich würde
Ihnen eins auftauen.«
    »Danke, Frau Claus«, sagte Ferschweiler. »Aber ich habe es nicht so
mit Süßkram. Mir steht der Sinn eher nach Deftigem.«
    Er hatte im Laufe seiner Tätigkeit bei der Mordkommission seine ganz
eigenen Befragungsstrategien entwickelt. Denn er hatte beobachtet, dass es
oftmals besser war, beiläufig und in scheinbar belanglosen Situationen Fragen
zu stellen, als sein Gegenüber direkt und förmlich mit dem zu konfrontieren,
was er wissen wollte. Die meisten Befragten waren in solchen Momenten ehrlicher
weil mitteilsamer, fühlten sich weniger unter Druck gesetzt und gaben oftmals
mehr preis, als ihnen zunächst tatsächlich bewusst war.
    »Aber Sie können mir doch sicher noch einmal im Detail sagen«, fuhr
Ferschweiler fort, »was Sie am Freitagabend gemacht haben?« Er hätte Helena
Claus auch schon vorher darauf ansprechen können, aber nun, so war er sich
sicher, vertraute sie ihm, und er erhoffte sich bessere und vor allem
ehrlichere Antworten.
    Überrascht sah sie ihn an. »Bin ich denn verdächtig, Herr
Kommissar?«
    Mit dieser Frage hatte Ferschweiler gerechnet. Innerlich musste er schmunzeln.
Solche Gegenfragen kamen immer, brachten ihn aber nur noch sehr selten aus dem
Konzept.
    »Reine Routine«, antwortete er daher wie gewohnt. »Reine Routine.
Also?« Es war immer der gleiche Ablauf.
    Helena Claus musste nicht lange überlegen. »Am Freitag habe ich hier
in der Verwaltung um halb fünf Schluss gemacht. Da meine Chefin wieder einmal
Unterlagen, die unbedingt unterschrieben werden mussten, im Büro liegen
gelassen hatte, bin ich erst mal zu ihr nach Irsch gefahren, wo sie den Tag
über an ihrem Vortrag für Paris gearbeitet hat. Da war ich so bis gegen kurz
nach achtzehn Uhr. Vielleicht ist es auch etwas später geworden, ich habe nicht
auf die Uhr gesehen. Danach bin noch schnell ins Einkaufszentrum dort auf der
Höhe gegangen, und ab sieben war ich dann mit Herrn Wolters zusammen im Kino.
Es lief ›Aus Mangel an Beweisen‹. Wollen Sie die Eintrittskarte und den
Kassenzettel vom Discounter sehen? Frau Dr.   Berggrün haben Sie ja sicherlich
schon befragt.«
    »Danke, Frau Claus«, antwortete Ferschweiler und war bereits im
Begriff, das Büro zu verlassen. »Das ist im Moment nicht nötig, vielen Dank.
Sie können beides aber gern möglichst bald meinem Assistenten geben.«
    Bevor er ging, wandte er sich dann doch noch einmal um, auch dies
ein Teil seiner immer wieder angewandten Strategie. »Eins wollte ich Sie noch
fragen. Hatten Sie eigentlich ein gutes Verhältnis zu Frau Rosskämper?«
    »Ich habe zu allen an der Akademie ein gutes Verhältnis, Herr Kommissar.
Schließlich sitze ich hier an einer ganz sensiblen Stelle. Wenn ich mir Launen
erlauben oder immer meinen Sympathien und Abneigungen entsprechend handeln
würde, dann würde Frau Berggrün schon bald hier als Letzte das Licht

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