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Die schoene Tote im alten Schlachthof

Die schoene Tote im alten Schlachthof

Titel: Die schoene Tote im alten Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Schneider , Stephan Brakensiek
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ebenfalls frustriert. Doris Egger schien es zu
spüren.
    »Wissen Sie, Herr Kommissar, ich bin dem materiellen Leben sozusagen
irgendwann von der Fahne gegangen«, sagte sie. »Vielleicht habe ich das Licht
gesehen, ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wirklich darauf geachtet habe
ich nun mal nicht. Für mich als Künstlerin gibt es einfach wichtigere Dinge.
Sie scheinen die Hingabe zu einer echten Aufgabe, die tiefe Verbundenheit mit
der eigenen, elementaren künstlerischen Auseinandersetzung nicht zu verstehen.«
    Erst dieser komische von Stiependorf und nun diese Egger. Ferschweiler
musste sich zusammenreißen, um nicht aufzubrausen, konnte seinen Ärger aber
nicht ganz verbergen.
    »Frau Egger, es ist ein Mensch ermordet worden. Verstehen Sie das
eigentlich? Sie wollen mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass Ihr Problem mit
Ihrem Radierverfahren für Sie wichtiger ist als der Mord an Melanie
Rosskämper?«, fuhr er sie an.
    Doris Egger sah ihn mit vor Schreck geweiteten Augen an, um dann
sogleich den Blick zu senken. Erst jetzt schien sie sich ihrer Worte bewusst zu
werden. »Herr Ferschweiler, nein, nein. Sie verstehen mich nicht richtig. So
meinte ich das gar nicht.«
    Ferschweiler hatte zunehmend den Eindruck, dass Doris Egger in ihrer
ganz eigenen Welt lebte.
    »In welchem Verhältnis standen Sie zu Melanie Rosskämper?«, führte
er die Befragung fort, nun wieder in etwas ruhigerem Ton.
    Doris Egger schien nachzudenken, sie biss sich auf die Unterlippe
und antwortete schließlich:
    »Ich kannte sie als Frau des Vorsitzenden des Fördervereins und als
Teilnehmerin. Sie hat im Spätsommer einen meiner Radierkurse besucht. Ihre
künstlerischen Fähigkeiten lagen jedoch ganz klar auf anderen
Gebieten .«
    Während sie das sagte, blieb ihr Gesicht regungslos, wie
Ferschweiler mit Verwunderung feststellte, denn er hatte den Sarkasmus in
ihrer Stimme wahrgenommen. Sie schaute ihn weiterhin mit ihrem ernsten,
regungslosen Blick an.
    »Wie meinen Sie das?«, hakte er nach. Aber wenn er gehofft hatte,
dass Doris Egger ihre Aussage weiter ausführen würde, so wurde er enttäuscht.
Sie blickte an die Decke und zuckte mit den Achseln.
    »Ihre Stärken lagen eindeutig in der Malerei.«
    Wieder verstummte sie. Musste man denn dieser Frau alles aus der
Nase ziehen?, dachte Ferschweiler. Dann, wie aus dem Nichts, sagte sie
plötzlich:
    »Albert Einstein hat einmal gesagt: ›Die banalen Ziele menschlichen
Strebens: Besitz, äußerer Erfolg, Luxus, erschienen mir seit meinen jungen
Jahren verächtlich.‹ Ich sehe das genauso. Melanie Rosskämper war nur darauf
aus, auf nichts anderes. Sie war eine Hedonistin durch und durch, eine von der
schlimmsten Sorte, wenn Sie mich fragen. Sie hat in den letzten Wochen mit dazu
beigetragen, dass ich den Glauben an das Gute im Menschen vollständig verloren
habe. Stellen Sie sich vor, immer wenn sie mich sah, hat sie mich ausgelacht.
Ansonsten hat sie gar nicht mit mir kommuniziert. Kunst hat mit Respekt zu tun,
und sie war eine ganz respektlose Person. ›Die wahre Kunst aber hat es nicht
bloß auf ein vorübergehendes Spiel abgesehen, es ist ihr Ernst damit, den
Menschen nicht bloß in einen augenblicklichen Traum von Freiheit zu versetzen,
sondern ihn wirklich und in der Tat frei zu machen, und dieses dadurch, dass
sie eine Kraft in ihm erweckt, übt und ausbildet, die sinnliche Welt, die sonst
nur als ein roher Stoff auf uns lastet, als eine blinde Macht auf uns drückt,
in eine objektive Ferne zu rücken, in ein freies Werk unseres Geistes zu
verwandeln und das Materielle durch Ideen zu beherrschen.‹«
    Mit solch einem philosophischen Ausbruch hatte Ferschweiler nicht
gerechnet. Irgendwo meinte er so etwas Ähnliches allerdings schon einmal
gelesen oder gehört zu haben.
    »Es ist von Schiller«, sagte Doris Egger, die Ferschweilers nachdenklichen
Gesichtsausdruck richtig interpretierte.
    Ferschweiler wurde aus der Künstlerin nicht schlau. Gerade noch
hatte sie behauptet, sie sei dem Leben abhanden gekommen, und jetzt kannte sie
sich bestens in der deutschen Popmusik aus. Innerlich schüttelte er den Kopf.
Bei Doris Eggers Verhältnis zu der schönen Toten musste aber doch, so viel
stand für ihn mittlerweile fest, eine gewisse Aversion im Spiel gewesen sein.
    »Ich hätte da noch zwei Fragen, Frau Egger.«
    Ferschweiler kam nun endlich zu dem, was er sich für das Verhör vorgenommen
hatte.
    »Darf ich Sie noch fragen, was Sie von Hans-Joachim von

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