Die schoene Tote im alten Schlachthof
ihr größter Kunde war das Altenheim
›Sankt Joseph‹ in Wasserliesch. Der Enkel war Zivildienstleistender und hat die
Senioren aus der Gegend über seinen Dienst bei ›Essen auf Rädern‹ bestens mit
Rauschmitteln versorgt. Ja, das war schon eine tolle Geschichte. Hast du
eigentlich gehört, wie die Oma sich damals bei ihrer Festnahme aufgeführt hat?«
»Sicher, das hat im ganzen Präsidium die Runde gemacht. Hat sie die
Kollegen, die sie festnehmen wollten, nicht mit ihrem Gehstock attackiert und
musste dann Handschellen angelegt bekommen? Ich habe gehört, sie hätte noch in
ihrem Hochwälder Dialekt geflucht, als sie hier im Präsidium ankam! Man hätte
sie zwar fast nicht verstehen können, sie aber noch im hintersten Kellerraum
gehört.«
Diese Begebenheit war fast allen im Präsidium noch gut im
Gedächtnis.
Man hatte die Frau beim Ernten der Hanfpflanzen in ihrer für den
Anbau der Drogen perfekt umgebauten Scheune quasi in flagranti verhaftet. Das
vollklimatisierte Gebäude hatte über ein automatisches Bewässerungs- und
Beleuchtungssystem verfügt, das optimale Wachstumsbedingungen für die rund
eintausend Hanfpflanzen bot. Der Enkel hatte extra dafür ein spezielles
Computerprogramm entwickelt.
»Auf alle Fälle kam der Tipp damals von, ach, nennen wir ihn der
Einfachheit halber Max«, fuhr Simon fort. »Max hat uns schon oft sehr nützliche
Hinweise gegeben, und wir haben im Gegenzug bei so manchen seiner Vergehen ein
Auge zugedrückt. Er ist wirklich nur ein Kleinkrimineller, er ist in nichts
Größeres verwickelt. Wichtig ist für unseren Fall jedoch, dass Max Kontakt zu
diesem Thomas Gorges hat.«
Ferschweiler war ganz Ohr.
»Max hat uns erzählt, dass die Trierer Drogenszene seit einiger Zeit
mit Ecstasy-Pillen regelrecht überschwemmt werde. So wie es aussieht, ist
Gorges maßgeblich daran beteiligt. Und das Zeug werde nachgefragt wie verrückt.
Die Dinger müssen eine super Wirkung haben – keine Kopfschmerzen, keine
Flashbacks, sehr verträglich, und die Kids würden total darauf abfahren. Das
ist natürlich verheerend, wie du dir sicher vorstellen kannst. Wir haben also
ein äußerst großes Interesse daran, Kafka endlich zu überführen und dingfest zu
machen. Und es wäre schön, wenn unsere beiden Abteilungen in dieser Sache
zusammenarbeiten würden. Bislang sieht es ja so aus, als hingen unsere Fälle
zusammen. Schließlich ist unser Kandidat gleichzeitig auch eurer.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Ferschweiler. »Was wisst ihr sonst noch?«
»Max sagt, dass eine größere Lieferung von Pillen erwartet wird. Die
Übergabe soll angeblich im ›B51‹ stattfinden, also mitten in deinem Kiez, was
ja irgendwie ganz gut passt«, sagte Simon mit leicht ironischem Unterton.
»Mein lieber Josef, Trier-West ist auch nicht schlimmer als
Trier-Nord oder Ehrang«, entgegnete Ferschweiler sachlich. Er hasste solche
Bemerkungen und wollte sich nicht provozieren lassen.
»Ist ja schon gut, Rudi, ich wollte dich nicht kränken. Das sollte nur
ein kleiner Scherz sein«, sagte Simon, der offensichtlich vergessen hatte, dass
Ferschweiler über alles lachen konnte, nur nicht über Witze, die seinen
geliebten Stadtteil zum Inhalt hatten. Wie um Ferschweiler zu besänftigen,
fügte er hinzu: »Ich weiß ja selbst, dass Trier-West von allen sogenannten
Trierer Problemvierteln die niedrigste Kriminalitätsrate hat. Trier-Nord und
Ehrang sind mittlerweile viel schlimmer. Und versteh mich bitte nicht falsch,
wenn ich von Problemvierteln spreche.«
»Ist gut, Juppes. Du weißt, ich bin, was meinen Kiez angeht, etwas
dünnhäutig. Aber zurück zur Sache. Warum soll denn die Übergabe ausgerechnet im
›B51‹ über die Bühne gehen? Warum treffen sich die Dealer nicht am Hafen oder
an irgendeiner anderen abgelegenen Stelle?«, fragte Ferschweiler.
»Das ist eine gute Frage. Uns ist das bisher auch nicht ganz klar.
Max vermutet, dass niemand in der vollen Disco mit so einem Handel rechnet. Und
damit könnte er sogar recht haben. Aber wie sie mit der Masse umgehen wollen,
das weiß ich nicht. Ich nehme an, dass Gorges in Kafkas Auftrag einen ersten
persönlichen Kontakt mit dem Abnehmer herstellen soll, damit dieser die Ware
prüfen kann. Und wenn dann alles stimmt, wird er sich wahrscheinlich mit Kafka
zur Übergabe der Gesamtmenge an einem anderen Ort treffen, vielleicht auch
wieder irgendwo in Trier-West. Hast du eine Idee, wo, Rudi?«, fragte Simon.
»Du hast recht, vielleicht treffen sie sich
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