Die schoene Tote im alten Schlachthof
Sie seine
Angaben als noch so verlässlich einstufen, so ist das, was Sie uns hier
präsentieren, doch alles sehr, sehr vage. Sie wollen sicher in der Disco am
besagten Abend einen größeren Einsatz durchführen? Dafür müssen Sie uns aber mehr
liefern, mein Lieber.« Caspers strich sich mit der rechten Hand über seinen
Bartansatz und zupfte in der für ihn typischen Weise an einem seiner vielen
eingewachsenen Barthaare am Kinn, was bereits zu einer deutlichen Entzündung
geführt hatte. Ferschweiler wandte angewidert den Blick ab.
Josef Simon räusperte sich. »Selbstverständlich haben Sie recht,
Herr Oberstaatsanwalt. Bisher haben wir nicht viel. Aber ich darf die Kollegen
Rudolph Ferschweiler und Wim de Boer von der Mordkommission in unserer Runde
begrüßen, die unsere Ausgangslage mit ihren Erkenntnissen aus einem anderen
Fall merklich erweitert haben. Sie sind im Zuge der Ermittlungen in den
Mordfällen Rosskämper und Kinzig auf einen Thomas Gorges gestoßen. Er ist der
Einzige im Raum Trier, der mit hier nicht zu bekommenden ägyptischen Zigaretten
handelt. Kippen solcher Zigaretten konnte die Spurensicherung an den Fundorten
beider Leichen sicherstellen.« Simon zwinkerte Ferschweiler komplizenhaft zu.
»Gorges handelt mit fast allem: angefangen bei Zigaretten, Amphetaminen, Marihuana
und LSD bis hin zu Heroin und Kokain. Und der
Mann, von dem wir glauben, dass Gorges für ihn arbeitet, steht in besagten
Mordfällen unter Verdacht. Es handelt sich um einen Dozenten der Kunstakademie,
Laszlo Kafka.«
»Laszlo Kafka?«, wiederholte Oberstaatsanwalt Caspers. » Der Laszlo Kafka? Ich besitze mehrere seiner Werke. Er ist
ein exzellenter Künstler. Ich wusste gar nicht, dass er hier in Trier
unterrichtet. Noch einer, den es in die Provinz verschlagen hat.«
»Ja, Herr Oberstaatsanwalt. Genau dieser Kafka ist unser
Hauptverdächtiger in den Mordsachen Kinzig und Rosskämper«, bestätigte
Ferschweiler.
»Herr Ferschweiler«, Caspers wandte sich direkt an ihn, »sind Sie
sich da auch absolut sicher? Kafka ist schließlich nicht irgendjemand, nicht
irgendso ein Eifelyeti oder Hunsrückbauer. Das ist der neue Star am
Künstlerhimmel!«
So viel Begeisterungsfähigkeit hätte Ferschweiler Caspers gar nicht
zugetraut.
»Wir sind uns sicher, Herr Oberstaatsanwalt. Sehr sicher sogar. Und:
Star oder nicht Star, das ist doch hier nicht von Belang, oder?«
Bei seinen letzten Worten hatte Ferschweiler Caspers einen finsteren
Blick zugeworfen. Dieser ewige Haarspalter und besserwisserische
Worte-im-Mund-Verdreher würde ihn eines Tages noch dazu treiben, eine gewaltige
Dummheit zu begehen und ihm endgültig die Meinung zu geigen.
»Sie haben natürlich recht, es spielt tatsächlich keine Rolle. Ein
großer Künstler kann genauso ein Krimineller sein wie jeder andere Mensch
auch.« Caspers wandte sich wieder an Simon. »Es scheint, als hätten Sie doch
mehr als nur vage Vermutungen. Was schlagen Sie also vor? Wozu soll ich Ja
sagen?«
»Also«, fuhr Simon ungeduldig fort. »Wir wissen, dass der Deal im
Laufe des kommenden Mittwochabends im ›B51‹ ablaufen soll. Ich schlage vor,
dass wir uns mit mehreren Teams vor und im Inneren der Disco platzieren. Wir
müssen dabei sehr vorsichtig vorgehen. Wir wollen nicht nur an Gorges, sondern
auch an die Hintermänner ran, vor allem an Laszlo Kafka. Wir lassen den Deal
laufen und schlagen dann zu gegebener Zeit hart und entschieden zu.«
Nachdem sich die Kollegen gegenseitig auf den letzten Stand gebracht
hatten und das weitere Vorgehen geplant war, witterte Ferschweiler seine
Chance. Zwar musste er sich innerlich überwinden, aber wenn nicht jetzt, wann
dann?
»Was meinen Sie, Herr Oberstaatsanwalt, bekommen wir einen
Durchsuchungsbefehl für Kafkas Wohnung?«
Simon und Ferschweiler warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Es
war ein entscheidender Moment. Stille herrschte im Raum. Beide blickten
gespannt auf den Juristen, der gedankenverloren an einem weiteren
eingewachsenen Barthaar zupfte.
»Zwei Morde und die Gefahr, dass Trier mit Designerdrogen überschwemmt
wird, sind mehr als gute Gründe«, sagte Caspers nach einer Weile. »Aber im
Moment sollten wir uns ruhig verhalten. Ich muss Sie bitten, Kafka zumindest
vorübergehend in Ruhe zu lassen. Schließlich wollen wir unseren vom rechten Weg
abgekommenen Künstler ja nicht unnötig warnen und so den Deal im ›B51‹ und
unseren hoffentlich daran anschließenden Fahndungserfolg gefährden, nicht wahr,
meine
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