Die schoene und der Lord
mit einem Schlag löste sich der Zauber, der seltsame, wundervolle Bann, der sich von dem Moment an über sie gelegt hatte, als Catriona am Bachufer zu ihm getreten war.
»Über der Küste brauen sich dunkle Wolken zusammen«, sagte sie und fügte direkt an: »Ziehen Sie Ihr Hemd und die Stiefel aus.«
Robert erstarrte. »Wie bitte?«
»Ihr Hemd ist tropfnaß, und Ihre Stiefel sind voller Wasser. Es wird jetzt rasch kühl. Ich werde zumindest Ihr Hemd auswringen, damit Sie sich in diesem Wind keine Erkältung holen. Hinter Ihnen ist ein Felsen, auf den Sie sich setzen können.« Ohne weitere Einwände ließ Robert sich dort nieder und zog sich die Stiefel aus, die er Catriona reichte.
Catriona drehte sich um. Das Herz hämmerte ihr in der Brust, während sie zurück zum Bach ging, um dort Roberts Stiefel auszuleeren, und sie wußte nicht genau, weshalb. Verwundert dachte sie darüber nach, wie es kam, daß sie ihm einen Moment lang am liebsten den Schädel eingeschlagen hätte und im nächsten keinen sehnlicheren Wunsch kannte, als wieder in seinen Armen zu liegen und ihn weiter zu küssen. Sie war bloß froh darüber, daß er nicht hatte sehen können, welche Wirkung er auf sie gehabt hatte, wie ihr die Knie weichgeworden waren und sie wahrhaft geglaubt hatte, in einen Traum gestolpert zu sein. Ihr war bewußt, daß nur die Verzweiflung über seine Blindheit ihn dazu gebracht hatte, sie zu küssen, genau, wie er zuvor aus genau diesem Grunde die Beherrschung verloren hatte. Beides war ohne vorherige Überlegung geschehen.
Auch sie hatte ohne jedes Nachdenken gehandelt, als sie ihn in den Bach gestoßen hatte. Catriona geriet nur selten in Wut, dies entsprach schlicht nicht ihrem Naturell. Aber als Robert sie mit einem Kindermädchen verglich, riß ihr einfach der Geduldsfaden. So richtig verstand sie es immer noch nicht. Eines jedoch wußte sie genau, sie durfte nie wieder zulassen, daß er solche Empfindungen bei ihr auslöste. Es war einfach zu töricht. Und gefährlich noch dazu.
Endlich hatte sie seine Stiefel ausgeleert. »Sie sind wohl immer noch ziemlich naß, fürchte ich, aber zumindest werden sie beim Gehen nicht mehr gar so sehr platschen. Jetzt lassen Sie mich zusehen, daß ...«
Catriona drehte sich wieder zu Robert um, um sein nasses Hemd in Empfang zu nehmen, doch dann hielt sie wie vom Donner gerührt in ihrer Bewegung inne.
Mit nacktem Oberkörper stand er vor ihr, und sein feuchtes Haar schimmerte dunkel im langsam versiegenden Sonnenlicht. Mein Gott, dachte sie, während sie ihn ganz stumm vor Erstaunen anschaute. Er ist wunderschön. Sein entblößter Anblick, seine muskulöse, nackte Brust brachten Catriona noch mehr aus der Fassung als sein Kuß. Er war prachtvoll, prachtvoller, als jedes Gemälde es je hätte sein können, seine Muskeln waren wohlausgebildet, sein Bauch flach und fest, seine Schultern breit und kräftig. Er kam ihrem Idealbild eines Mannes ganz nah, sah genauso aus, wie sie sich ihn vorgestellt hatte, bevor sie ihm überhaupt begegnet war, als er lediglich eine Gestalt auf einem Porträt gewesen war, ein bloßes Traumgebilde in ihrer Phantasie. Ihr Herz schlug wie wild und ließ sich nicht beruhigen, so sehr sie auch mit einer bewußt langsamen Atmung dagegen anzugehen versuchte.
»Stimmt etwas nicht?« fragte er unmittelbar darauf.
»Nein, nein.« Sie schluckte. »Kommen Sie, geben Sie mir Ihr Hemd, dann kann ich versuchen, es so gut wie möglich auszuwringen.«
Catriona reichte Robert die Stiefel und wandte sich rasch um, nachdem sie sein Hemd in Empfang genommen hatte. Während sie aber den tropf nassen Stoff auswrang, schaute sie sich wieder nach ihm um und überlegte, wie es sich wohl anfühlen mochte, mit den Fingern über seinen Körper zu fahren. Seine Haut wirkte so glatt wie die Oberfläche einer Statue, aber nicht kalt wie Marmor, sondern warm. Gütiger Gott, war sie verrückt geworden? Was fiel ihr denn ein?
Dieser Mann war ein Herzog. Er gehörte dem Adel an, war sogar von hohem Adel. Ihm gehörten riesige Ländereien, und er war unvorstellbar reich. Sie dagegen war bloß die Tochter armer Kleinbauern, deren lebhafte Phantasie von vergrabe-nen Schätzen und Rittern in schimmernden Rüstungen bevölkert wurde.
Catriona schleuderte das Hemd noch einmal energisch aus. »Ich habe es ausgewrungen, so gut es ging. Jetzt sollten wir besser aufbrechen und nach Rosmorigh zurückkehren. Morgen können wir ja wieder herkommen und unsere Reise auf den Spuren
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