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Die schoene und der Lord

Titel: Die schoene und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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rief ihren Namen, aber sie gab keine Antwort und zog damit seine Erniedrigung noch weiter in die Länge.
    »Es tut mir leid, Catriona. Ich hätte Sie nicht so anbrüllen dürfen. Das war nicht recht von mir.«
    Immer noch keine Antwort.
    »Sie wollen doch wohl nicht in aller Seelenruhe dabeistehen und mitansehen, wie ich mir die Nase an einem Baum blutig schlage?«
    »Natürlich nicht. Und im übrigen gibt es in dem Bach keine Bäume.«
    Robert drehte sich in die Richtung, von wo ihre Stimme gekommen war. Sie stand dichter neben ihm, als er gedacht hätte, nur wenige Fuß vom Bachufer entfernt. »Helfen Sie mir, hier herauszukommen? Bitte.«
    Catriona schwieg kurz und sagte schließlich: »Wenn Sie nur einen Schritt vorwärts tun, ein wenig nach rechts, ist dort eine Stelle, wo das Gras bis ins Wasser hineinreicht. Dort müßten Sie eigentlich festen Untergrund finden.«
    Eine gute Lehrerin, dachte Robert, denn sie ging auf Nummer
    Sicher, daß ihre Lektion auch gelernt wurde. Wenige Augenblicke später erreichte er das grasbewachsene Ufer, wo er kleinlaut und triefnaß stehenblieb. Er streckte eine Hand aus. »Können wir Waffenstillstand schließen?«
    Er spürte, wie ihre Hand sich in die seine schob. »Es ist keine Schande, daß Sie ab und zu mal auf jemanden angewiesen sind, Robert. Dadurch werden Sie noch längst nicht bemitleidenswert oder hilflos. Es beweist lediglich, daß Sie auch nur ein Mensch sind.«
    Auf jemanden angewiesen sein. Robert konnte sich nicht daran erinnern, jemals wirklich auf jemanden angewiesen gewesen zu sein, seit er den Kinderschuhen entwachsen war. Im Gegenteil, es hatte ihn immer besonders stolz gemacht, daß er sich ganz auf sich selbst verlassen konnte. Da Jameson der Erbe des Titels von Devonbrook war, hatte Robert sich etwas einfallen lassen müssen, um seinen Lebensunterhalt als Zweitgeborener selbst zu sichern. Die üblichen Berufswege — Juristerei, Medizin oder ein Kirchenamt — interessierten ihn herzlich wenig. Am Ende war es ihm gelungen, sich durch eigene Gewitztheit und Begabung Rang und Vermögen zu sichern, indem er Kunst an- und verkaufte. Und seit jener Zeit hatte er es als ein Zeichen von Schwäche angesehen, auf andere angewiesen zu sein, eine Schwäche, die er sich selbst nie und nimmer zugebilligt hätte. Dieser Widerstand allerdings, diese Weigerung, Hilfe von anderen anzunehmen, hatte immer seinem Vater oder Bruder gegolten. Bei diesem Mädchen aus dem Hochland konnten wohl kaum dieselben Regeln gelten.
    Robert rührte sich nicht, als Catriona näher auf ihn zutrat. Sie griff hinauf, um ihm sanft das tropfende Haar aus dem Gesicht zu streichen und das Wasser von der Wange zu wischen. Dann setzte sie ihm behutsam die Brille wieder auf. »Sie bräuchten nicht allein zu sein, Robert, wenn Sie es nur zuließen.«
    Robert spürte, wie sich etwas in ihm veränderte, als lockere sich zögerlich eine innere Beklemmung. Eigentlich hätte ihm kalt sein müssen, denn er war völlig durchnäßt, und es blies ein recht frostiger Wind. Er hätte wütend und erbost sein, sich womöglich sogar in Grund und Boden schämen müssen, aber weder Wut noch Scham waren der Grund dafür, daß sein Körper sich anfühlte, als stände er in Flammen, ln diesem Moment war er sich einzig eines unbezähmbaren Verlangens bewußt. Und dieses Verlangen galt ihr.
    Ohne jeden weiteren Gedanken an Logik oder Schicklichkeit zu verschwenden, schloß Robert Catriona in die Arme und zog sie fest an sich. Sie ließ es wortlos geschehen. Sachte berührte er ihre Wange und legte ihr sanft den Mund auf die Lippen, um sie behutsam zu küssen, bis seine Wut über den schmerzlichen Makel seiner Blindheit gänzlich verflogen war. Er verspürte das starke Bedürfnis, sich wie ein Mann zu fühlen, und zwar wie ein vollständiger Mann. Und diese junge Frau war die einzige Person auf der Welt, die ihm die Freiheit gewähren würde, sich diesen Wunsch zu erfüllen.
    Catrionas Atem streifte warm gegen seine Lippen, als er seinen Mund wieder von ihrem löste. Noch immer war er ganz dicht über sie gebeugt und wünschte nur, er hätte ihr Gesicht sehen können, ihr in die Augen schauen und dort ihre Reaktion ablesen können. Keiner von ihnen sprach ein Wort. In den Bäumen über ihnen zwitscherten die Vögel, die Brise strich über sie hin und hüllte sie in einen lieblichen Duft von wilden Blumen. Kein Ort hätte je dem Garten Eden so nahekommen können.
    Da war aus der Ferne ein Donnergrollen zu vernehmen, und

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