Die Schoene und der Prinz
ganzem Herzen.“
Der Prinz warf einen Blick auf seine Taschenuhr. „Da es einige Zeit dauern wird, bis wir Ledbury Manor erreichen“, überlegte er, „sollten wir sofort aufbrechen. Ich möchte zum Frühstück auf dem Schloß sein, um mich an dem Tumult zu weiden, den Ihr Verschwinden auslösen wird.“
„Eine Person wird darüber ganz sicher entzückt sein“, sagte Forella spöttisch. „Graf Sherburn wird mir bestimmt keine Träne nachweinen.“
Der Prinz pflichtete ihr lachend bei. „Osmond Sherburn hat immer wieder betont, daß er niemals heiraten werde.“
„Er wird froh sein, und Tante Kathie wird sich vor Wut nicht fassen können.“
„Jedenfalls wird meine Cousine gut auf Sie aufpassen“, versprach der Prinz. „Ihr Name ist übrigens Prinzessin Maria Dábas.“
Forella schenkte ihm ein reizendes Lächeln. „Fast kommt es mir wie Schicksal vor, daß Mama ihre Heimat einst verlassen hat, um Papa zu folgen, und ich jetzt von einem Ungarn davor bewahrt werde, die Hölle auf Erden zu erleben.“
„Das Schicksal spielt in unserem Leben eine entscheidende Rolle, Forella“, sagte der Prinz überzeugt.
„Das ist wahr“, gab sie zurück, „und ich sollte an mein Karma glauben, statt mich zu fürchten, und mich schämen, daß ich so verzagt war.“
„Das ist doch verständlich“, erwiderte der Prinz. „Und jetzt dürfen Sie mir noch einmal zeigen, wie gut Sie mit György zurechtkommen.“
Er erhob sich und nahm sie bei der Hand wie ein kleines Kind, wobei er sich über sämtliche gesellschaftliche Konventionen hinwegsetzte.
Sein Instinkt und sein ungarisches Einfühlungsvermögen verrieten ihm jedoch, daß er richtig handelte und gar nicht anders konnte, als seiner Eingebung zu folgen.
4
Einige Zeit waren sie schweigend nebeneinanderher geritten, als der Prinz sich vernehmen ließ: „Ich habe darüber nachgedacht, daß wir Ihnen einen neuen Namen geben müssen.“
„Natürlich, das ist wichtig“, pflichtete Forella ihm bei.
„Am einleuchtendsten wäre wohl, wenn ich Sie als die Tochter eines ungarischen Freundes ausgebe“, überlegte er. „Deshalb könnten Sie den Namen Ihrer Mutter annehmen und auch ihren Adelstitel.“
„Sie war eine Gräfin“, bestätigte Forella, „bediente sich aber nie ihres Titels.“
„Jetzt kann er uns nützlich sein“, entschied der Prinz. „Ich werde Sie als Gräfin Forella Rákózi vorstellen.“
Forella lachte. „Aber ich möchte der Gesellschaft und ihrem ganzen Flitterkram doch gerade entfliehen!“
Der Prinz lächelte belustigt. „In diesem Falle müssen Sie sich solcher Nichtigkeiten bedienen. Vermutlich sprechen Sie so gut ungarisch, daß niemand Ihre wirkliche Nationalität anzweifeln kann.“
„Wollen Sie mich beleidigen?“ fragte Forella zurück. „Wenn ich mit meiner Mutter allein war, sprachen wir immer ungarisch, damit ich nicht aus der Übung kam. Papa sprach es genausogut wie viele andere Sprachen, und Mama sagte immer, man könnte ihn glatt für einen echten Madjaren halten!“
Das klang ein wenig aggressiv, als wollte sie seinen Widerspruch herausfordern, aber er sagte nur: „Ich bitte um Vergebung.“
„Sie werden es vielleicht komisch finden“, sagte Forella, „aber ich besitze so wenig materielle Güter, daß meine Intelligenz mein einziges Kapital ist.“
Das klang so originell, daß der Prinz lachen mußte. Seine Cousine würde in Forella eine amüsante Gesprächspartnerin haben, stellte er bei sich fest, die Abwechslung in ihr einförmiges Dasein brachte.
„Wir sollten uns eine glaubwürdige Geschichte zurechtzimmern“, sagte er nach einer Weile, „die wir uns sorgfältig einprägen müssen, damit sich keine Widersprüche ergeben.“
Aufmerksam hörte sie ihm zu, als er fortfuhr: „Sie sind vor einem Monat aus Ungarn in England angekommen, um bei mir zu wohnen. Leider starb Ihr Vater unterwegs und wurde in Triest begraben.“
Sie bemerkte, daß er sich so nahe wie möglich an die wahren Begebenheiten hielt.
„So waren Sie gezwungen, allein nach England weiterzureisen“, spann der Prinz den Faden weiter. „Da Sie in Trauer sind, wollten Sie nicht in London bleiben, sondern zurückgezogen irgendwo auf dem Lande leben. Und dahin bringe ich Sie jetzt.“
„Eine glaubwürdige Geschichte“, sagte Forella anerkennend. „Ich werde mir Mühe geben, mich an meinen neuen Namen zu gewöhnen.“
„Das wird Ihnen keine Schwierigkeiten bereiten“, sagte der Prinz überzeugt. „Übrigens sollten
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