Die Schoene und der Prinz
stundenlang diskutiert. Man kann sich überall in der Welt treu bleiben, meine ich, solange man nicht zu Dingen gezwungen wird, die man als falsch erkannt hat.“ Wieder schwieg sie nachdenklich.
„Papa sagte immer, der Sinn des Lebens bestünde darin, sich selbst weiterzuentwickeln“, sagte sie dann. „Er und Mama waren so unbeschreiblich glücklich miteinander, daß sie über Unannehmlichkeiten, die sie zu erleiden hatten, zu lachen pflegten und jeden Tag etwas Neues für sich entdeckten.“
„Worauf kam es ihnen vor allem an?“ fragte der Prinz.
„Darauf, daß ihre Seele Nahrung hatte, glaube ich“, gab sie in ihrer schlichten Art zurück, die frei war von irgendwelchem gezierten Gehabe.
Bevor er etwas erwidern konnte, ging die Tür auf, und Mrs. Hickson kam mit einem vollbeladenen Tablett herein.
„Papa hat mir immer vorgeschwärmt, wie köstlich frische englische Landeier und gebratener Speck zum Frühstück schmecken“, erinnerte sich Forella, während sie kräftig zulangte. „Jetzt weiß ich, was er damit meinte.“ Sie bestrich sich ein weiteres Stück von dem ofenwarmen Landbrot mit goldgelber Butter und biß genüßlich hinein.
Er schenkte sich noch eine Tasse Tee ein, bevor er zur Sache kam.
„Wir sollten uns nun mit der wichtigen Frage befassen, Forella, was Sie zu tun gedenken.“
„Sie haben mir bereits beigepflichtet, daß ich weg muß“, sagte sie hastig.
„Ich sagte, ich verstehe Ihre Beweggründe.“
„Und Sie werden mich nicht zurückhalten?“
„Eigentlich sollte ich das wohl tun.“
Sie hörte sofort auf zu essen und sagte in enttäuschtem Ton: „Sie werden doch nicht das Vertrauen, das ich in Sie gesetzt habe, mißbrauchen?“
„Keineswegs“, betonte er. „Trotzdem sollten Sie einsehen, daß Ihr Vorhaben unmöglich ist.“
„Ich schaffe es schon irgendwie, und Sie haben kein Recht, mich daran zu hindern.“
„Diese Absicht habe ich nicht. Dennoch kann ich die Schwierigkeiten, die auf Sie zukämen, besser abschätzen als Sie.“
„Ich habe schon ganz andere Schwierigkeiten gemeistert.“
„Aber nicht allein!“
Der Wahrheit dieser Bemerkung konnte sie sich nicht verschließen.
„Eine Frau, die allein durch die Gegend reist“, fuhr er fort, „ist unzähligen Gefahren ausgesetzt. Es würde nicht lange dauern, und man würde Ihnen György stehlen. Sie würden ohne Geld dastehen und keine Bleibe haben.“
„Warum sollte mir das passieren?“ fragte Forella in feindseligem Ton.
„Weil die Verhältnisse in England so sind“, gab der Prinz trocken zurück.
„Je eher ich dieses Land verlassen kann, desto besser“, sagte Forella entschlossen. „Im Ausland könnte ich besser und unbehelligter leben als hier.“
„Ich habe einen besseren Vorschlag. Die Verwandten Ihres Vaters können Sie nicht um Hilfe bitten, das ist klar, aber sicher hat Ihre Mutter Angehörige, an die Sie sich wenden können. “
„Meine Mutter war keine Engländerin“, stieß Forella trotzig hervor.
Zu ihrer Überraschung schien der Prinz darüber hocherfreut zu sein.
„Ich hatte recht, als ich feststellte, daß etwas Besonderes an Ihnen ist“, rief er lebhaft aus. „Wenn ich mich nicht völlig irre, dann war Ihre Mutter Ungarin, nicht wahr? “
„Wie kommen Sie darauf?“
„Weil niemand so verwegen reiten kann wie Sie, wenn er nicht ungarisches Blut in den Adern hat. Außerdem gab Ihr Gesicht mir einige Rätsel auf, die jetzt gelöst sind.“
„Ja, Mama war Ungarin“, gab Forella zu, „aber Tante Kathie hat mir eingeschärft, das niemandem zu sagen, weil sich sonst für mich kein Mann zum Heiraten fände.“
Der Prinz warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. „So etwas Lächerliches habe ich noch nie gehört. Vermutlich wissen Sie, daß ich Ungar bin?“
„Ja, natürlich.“
„Warum haben Sie mir dann nichts von Ihrer Mutter erzählt?“
„Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es Sie interessierte.“
„Und ob es mich interessiert! Wie war Ihr Mädchenname?“
„Rákózi. Vermutlich haben Sie noch nie von ihrer Familie gehört. Sie stammt aus Ostungarn.“
„Natürlich kenne ich den Namen“, erklärte der Prinz. „Er gehört einer berühmten ungarischen Familie, deren Besitz zufällig an meine Güter angrenzt.“
„Mama ist mit Papa davongelaufen. Die Rákózi würden mich sicher nicht gerade mit offenen Armen aufnehmen.“
„Das bezweifle ich“, entgegnete der Prinz. „Trotzdem würde es zuviel Zeit in Anspruch nehmen, sie ausfindig
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