Die Schoene und der Prinz
Er sagte, Liebe sei unsterblich und unzerstörbar.“
Sie sagte das völlig natürlich und ohne sich zu zieren, wie andere Frauen es bei einer so intimen Aussage getan hätten.
„Nachdem Ihr Vater gestorben war, kehrten Sie also nach England zurück?“
„Ich wollte Onkel George nicht schreiben“, sagte Forella. „Unser alter Diener hat es getan, weil er es für das einzig Richtige hielt,“
„Womit er zweifellos recht hatte“, stellte der Prinz fest.
„Ich wollte nicht ein solches Leben führen, über das Papa sich immer lustig gemacht hat. Die sogenannte feine Gesellschaft fand er lächerlich. Diese Leute hätten nichts anderes zu tun, als sich gegenseitig an Titeln und Reichtum überbieten zu wollen, und sie vergeudeten ihre Zeit mit Glücksspiel, Zänkereien und Klatsch.“
Sie sagte das so drollig, daß der Prinz lachen mußte.
„Ihr Vater hatte sicher recht. Allerdings gibt es für eine junge Dame wie Sie wenig andere Möglichkeiten.“
„Ich habe keine Lust, eine Junge Dame 4 zu werden“, sagte Forella verdrossen. „Ich möchte so weiterleben wie mit meinem Papa, obwohl das ohne ihn schwierig sein dürfte.“
„Wie gestaltete sich denn Ihr Leben zusammen mit Ihrem Vater?“
Sie lächelte nachsichtig, als werde er sich noch wundern, was sie ihm zu erzählen hatte.
„Ich bin in einem Beduinenzelt geboren“, antwortete sie. „Ich habe versucht, die Quelle des Ganges zu finden und die mittleren Berge des Himalaya zu besteigen. Ich war mit den Kopfjägern in Sarawak zusammen und habe bei afrikanischen Stämmen als Gast geweilt, deren Lieblingsspeise »gesottene Christen* waren.“
Ungläubig starrte der Prinz sie an, und sie lachte über seinen Gesichtsausdruck. Es klang so natürlich und frisch wie das spontane Gelächter eines Kindes.
„Sie haben mich danach gefragt“, betonte sie, bevor er sich äußern konnte, „niemand zwingt Sie, mir zu glauben.“
„Ich würde sicher erkennen, wenn Sie lügen“, erwiderte der Prinz.
„Was macht Sie so sicher?“
„Ich habe einen Instinkt dafür. So unglaublich das, was Sie erzählen, auch klingen mag, ich spüre, daß Sie die Wahrheit sagen.“
„Dann werden Sie sicher auch verstehen, daß ich mein Leben nicht mit Menschen verbringen möchte, die nur übel über Freunde reden, die nicht anwesend sind.“
Es zuckte verräterisch um die Mundwinkel des Prinzen. „Ein vernichtendes Urteil“, stellte er dann fest.
„Außerdem“, fuhr Forella ernst fort, „hasse ich es, den ganzen Tag über in überheizten, stickigen Räumen zu verbringen, Kleider anzuprobieren und regelmäßig Mahlzeiten einzunehmen.“ Sie schwieg einen Augenblick. „Haben Sie eine Ahnung“, fuhr sie dann fort, „wieviel Leute wie Onkel George und Tante Kathie tagsüber in sich hineinstopfen? Wenn man das alles in einen Eimer füllte, könnten in Indien Dutzende hungernder Kinder davon satt werden.“ In leidenschaftlichem Ton stieß sie ihre Anklage hervor.
„Ich kann verstehen“, sagte der Prinz begütigend, „daß Ihnen das alles einen ziemlichen Schock versetzt hat. Trotzdem ist nicht alles bei uns so verwerflich und schlecht, wie Sie es darstellen.“
Forella zuckte die Achseln, als sei ihr das ziemlich gleichgültig.
„Seit ich in England angekommen bin, hatte ich nur einen Gedanken: weg von hier“, gestand sie. „Jetzt muß ich weg. Das werden Sie doch verstehen!“
„Sie könnten sich nicht mit dem Gedanken vertraut machen, die Gattin des Grafen zu werden und damit eine angesehene Stellung in der Gesellschaft einzunehmen, um die jede andere junge Frau Sie beneiden würde?“
„Das hat Onkel George mich auch gefragt. Meine Antwort lautet: nein! Wie könnte ich einen Mann heiraten, den ich nicht liebe und der zudem eine andere liebt?“
In diesem Punkt mochte der Prinz ihr nicht widersprechen.
„Der ganze Plan, mich zu verheiraten, nur damit Tante Kathie mich los wird, ist entwürdigend und schändlich“, fuhr Forella erregt fort. „Auf keinen Fall möchte ich eine Stellung in der Gesellschaft haben oder mich wie eine Marionette bewegen, deren Fäden man zieht. Ich will frei sein und ich selbst bleiben.“
„Sind Sie sicher, daß Ihnen das in der Umgebung, in der Ihr Onkel und Ihre Tante leben, unmöglich sein würde?“
Der Prinz fragte sie das in ernstem Ton. Statt aufzubrausen und ihn verächtlich anzufunkeln, überraschte Forella ihn mit gedankenvollem Nachdenken, bevor sie antwortete:
„Über diese Frage haben Papa und ich oft
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