Die Schöne und der Tod (1)
funktioniert, was die Medien wollen, er hat das früher selbst so gemacht, als er noch in Wien war. Hier auf seinem Friedhof bekommen sie alles, was sie sich wünschen. Die Sonne scheint.
Er beobachtet es von seiner Terrasse aus. Immer, wenn jemand beerdigt wird, sitzt er oben und trinkt ein Glas auf den Toten. Er kann alles sehen, jeden Winkel des Friedhofs, die weinenden Gesichter, wie sie sich die Hände halten, sie schütteln, sie auf traurige Schultern legen. Max trinkt und schaut Kattnig zu, wie er seine Liebe und seine Verzweiflung in die Welt hinausschreit. Er ist entfesselt, will sie zurück, will sie nicht loslassen, nicht in dem Loch verrotten lassen. Zu viert schleifen sie ihn zwischen den Gräbern über den Friedhof. Er bricht völlig zusammen, lässt sich tragen, ziehen, schieben, er starrt nur noch auf den Boden, sagt nichts mehr, schüttelt verstört den Kopf.
Was für eine Vorstellung, denkt Max, was für ein Begräbnis. August ist die ganze Zeit über ruhig geblieben, hat nichts gesagt, nicht reagiert, nur traurig geschaut. So wie Emma. Jeder hat gewusst, dass Kattnig sich immer für Marga eingesetzt hat, dass er sie entdeckt hat, zu einem der erfolgreichsten Models des Landes gemacht, dass sie zusammen waren, bevor der Bauer sie zu seiner Frau machte. Als sich Marga tatsächlich für August entschied, brach für Kattnig eine Welt zusammen. Er wollte ein Comeback für Marga, er wollte ihr Gesicht zurück in den Zeitungen, zurück auf den Bildschirmen, auf den Laufstegen. Die Fernsehsendung war für ihn nur ein Schritt in diese Richtung, nicht mehr. Er hasste sie dafür, dass sie ernst machte und den Schweinebauern aus dem Fernsehen heiratete, er hasste August, er versuchte es ihr auszureden, aber Marga war nicht aufzuhalten.
Du machst einen Fehler, sagte er. Ich bin besser für dich als dieser Bauer.
Du bist mein Manager, sagte sie. Nicht mehr.
Die zwei Wochen mit August auf dem Hof waren die schönsten in ihrem Leben. Sie sagte es in die Kamera damals, sie sagte es immer wieder. Kattnig hörte zu. Er wollte sie zurück, wollte sie nicht verlieren, doch sie ging weg von ihm.
Jeder im Dorf hatte die Romanze im Fernsehen mitangesehen, jeder gönnte es ihr, nach all dem Gerede über ihre Krankheit, ihren Selbstmordversuch. Trotzdem gab es weiterhin Gerüchte über sie und Kattnig, über ein Verhältnis, auch nach der Hochzeit mit dem Bauern. Beide Männer waren deutlich älter als sie, das gab genug Anlass für Tratsch. Und jetzt Kattnigs Auftritt. Frisches Futter für die Hungrigen.
Max sieht sie, wie sie tuscheln hinter vorgehaltener Hand, er ahnt, was sie sich zuflüstern. Dass er seinen Goldesel verloren hat, dass er verrückt geworden ist, dass sie es immer schon gewusst haben, dass er besessen war von ihr. Sie schauen ihm nach, wie sie ihn vom Friedhof schleifen. Pfarrer Stein will die Aufmerksamkeit zurück, er rudert mit den Armen, sein Mund ist weit offen. Max sieht seine Empörung, wie er dieses Begräbnis endlich zu Ende bringen will. Stein muss lauter sprechen als sonst, er muss gegen dieses Flüstern und Raunen anreden, die Aufmerksamkeit zurückgewinnen, doch das Staunen über Kattnig hört nicht auf.
Stein gibt dem Bläsertrio ein Zeichen zu spielen. Max trinkt. Kurz hat er vergessen, an Emma zu denken, er hat sogar gelacht, so skurril war die Nachmittagsvorstellung. Stein segnet, die Trauergäste verabschieden sich einzeln vor dem Grab, einer nach dem anderen geht, drückt betroffen Hände. Der Friedhof leert sich rasch. Auch Emma geht, August neben ihr, seine Mutter. Sie gehen zum Wirt, essen Nudelsuppe und trinken, Leichenschmaus. Max wird noch das Grab zumachen, dann geht auch er dorthin. Einmal noch kurz wird er ihr begegnen, dann wird der Spuk vorüber sein.
Er geht nach unten. Gemeinsam mit Dennis löst er die großen Schaltafeln, sie lassen die Erde zurück ins Grab fallen. Dann die Blumen. Alles soll ordentlich aussehen, wenn die Trauergemeinde aus dem Gasthaus zurückkommt, wenn sie noch einen Blick auf das Grab werfen. Max und Dennis, wie sie Kranz für Kranz auf den Erdhaufen legen, die Bretter wegräumen, saubermachen, das Holzkreuz aufstellen.
– Kommst du mit?
– Nein, danke, Max.
– Auf eine Nudelsuppe, komm schon.
– Wirklich nicht.
– Warum nicht?
– Johanna.
– Ein Bier. Auf unser Grab.
– Beim nächsten Mal gerne.
– Das kann dauern, bis wieder einer stirbt.
– Du sollst diese Witze nicht machen, Max.
– Ist doch so schon tragisch genug,
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