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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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sie. Dann gehen ihre Augen auf.
    Sie schreckt auf, sitzt plötzlich im Bett, hat sich von ihm losgerissen, zieht die Decke nach oben. Sie schaut ihn an, schaut weg. Max ist zurückgewichen, er sieht, dass sie sich schämt, dass es ihr unangenehm ist, seine Haut so nah. Er bleibt neben ihr sitzen und wartet, bis ihre Augen wieder zu ihm zurückkommen, bis sie ihn wieder anschaut. Seine Augen und ihre, ohne etwas zu sagen. Eine Minute lang, zwei.
    Dann wie sie sich wieder an ihn legt, wie er sie aufnimmt an seinem Körper, ihr Platz macht, sie umarmt. Wie sie ihn küsst. Langsam, wie die Kleider am Boden liegen, wie sie sich berühren, ineinander eindringen, vertraut, fremd. Sie überlegen nicht, sprechen nicht, sie lieben sich nur, lassen sich gehen, immer weiter. Emma nackt, Max. Immer wieder ihre Zunge in seinem Mund, immer wieder beide fest umschlungen, schwitzend. Als sie reden will, legt er ihr seine Finger auf die Lippen, sie soll schweigen, nichts sagen, die Seifenblasen nicht kaputtmachen, die um sie herumschweben. Dann wie die Finger zwischen ihren Lippen verschwinden, sie leckt sie ab, saugt an ihnen, an allem, was an ihm ist. Sie isst ihn, trinkt ihn, nimmt ihn in sich. Beide schweigen. Wie sie im Bett herumliegen, wie sie immer wieder von vorne beginnen, sich zu berühren. Max und Emma, nur ihre Körper, den ganzen Tag lang. Kein Wort, bis es Nachmittag ist. Bis Max beginnt zu suchen.
    – Meine Uhr, hast du meine Uhr gesehen?
    – Nicht, Max, ein bisschen noch, bitte.
    – Tut mir leid, Emma, aber meine Uhr, sie ist nicht mehr da. Sie müsste hier sein, auf dem Nachtkästchen.
    – Was soll das jetzt, Max?
    – Ich will nur wissen, wie spät es ist.
    – Warum?
    – Warum nicht?
    – Es ist doch schön so. Lass es bitte sein. Ein bisschen noch.
    – Ich schaue kurz nach der Uhr.
    – Bitte, Max.
    – Das ist wichtig.
    – Die Taschenuhr von deinem Vater?
    – Ja.
    – Schon wieder dein Vater.
    Enttäuscht schaut sie ihn an, während er die Wohnung auf den Kopf stellt, er wühlt an jedem Ort, er muss diese Uhr finden, die Uhr, die ihm sein Vater hinterlassen hat, sie ist nicht auf dem Tisch neben dem Bett, wo sie immer ist. Nackt rennt er durch die Wohnung, öffnet jede Lade zweimal, schüttelt jedes Kleidungsstück. Wo hat er sie hingelegt? Wann hatte er sie zum letzten Mal in der Hand, gestern, wann? Emma schaut ihm zu. Sie liegt im Bett und beobachtet ihn, wie er immer wieder ins Zimmer kommt und erneut beginnt zu suchen, wie er von Raum zu Raum rennt, Pullover und Jacken durch die Luft wirft. Max sieht ihre Enttäuschung, ihre Wut, wie sie immer größer wird, weil er nicht zu ihr kommt. Es ist ihm egal, er will diese Uhr. Er hatte sie immer in seiner Hosentasche, immer, aber jetzt ist seine Hose leer. Die Vorstellung, dass er sie verloren hat, macht ihn verrückt, dass er sie nicht an ihren Platz gelegt hat, dass sein Kopf mit anderen Dingen voll war. Dass nur sie in ihm war, dass er nur an sie gedacht hat. Emma, seit sie angerufen hat, seit er sie wiedergesehen hat. Seine Uhr. Wie sie ihn vorwurfsvoll ansieht. Wie sie ihm wieder den Kopf verdreht nach so vielen Jahren. Wie sein Vater ihm die Uhr in die Hand gedrückt hat, bevor er gestorben ist. Er muss sie finden.
    Max zieht sich an. Emma bittet ihn zu bleiben, sie will ihn festhalten mit Küssen, aber Max geht. Es gibt nur einen Ort, an dem die Uhr sein kann. Er schlägt die Tür ins Schloss. Emma bleibt nackt im Flur zurück.

Sechs
    Wieder gräbt er. Ohne August zu informieren, Emma. Die Kränze hat er eilig auf die Nachbargräber geworfen. Sie muss ihm herausgefallen sein, als er unten gelegen ist. Seine Uhr, er ist sich sicher, sie ist da, unter dem Sarg, unter Marga. Eine andere Lösung gibt es nicht. Er hätte August anrufen, hätte ihm die Sache mit der Uhr erklären können, er hätte ihn bitten können, die Grabruhe noch einmal kurz stören zu dürfen, kurz nur. Er hat es nicht getan. Er hat auch nichts zu Emma gesagt, er ist einfach nach unten gegangen und hat zu schaufeln begonnen, das Grab zu öffnen, das er erst vor 24 Stunden geschlossen hatte.
    Max gräbt, schnell und unruhig. Emmas Haut liegt weit zurück, nur die Uhr ist wichtig. Er will es hinter sich bringen, er will Gewissheit, schnell, er will den Sarg heben, die Uhr nehmen und alles wieder zuschütten, die Kränze darauflegen, niemand wird es merken. Er gräbt, er hört nicht, wie sie auf der Terrasse steht und schreit, wie sie über den Friedhof läuft. Erst als sie neben ihm

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