Die Schöne und der Tod (1)
Schultern nach oben, verlegen, ängstlich. Sie sagt, sie habe auch schon versucht, ihn zu erreichen. Sie wisse nichts, sie mache sich Sorgen, sie wolle nicht, dass ihr Vater etwas davon erfahre. Sie müsse wieder zurück ins Haus.
Max schaut sie an. Er hat den beiden immer wieder geholfen, zusammen sein zu können, er hat sie sogar in seine Wohnung gelassen, weil Dennis ihn darum gebeten hatte. Max war ihr stiller Komplize, einer, der etwas übrig hatte für sie. Max kennt Johanna, er weiß, wie sie lachen kann, wie ausgelassen sie sein kann, wie viel sie redet, mit welcher Wucht und Leidenschaft. Wie still sie jetzt ist. Warum sie nicht mehr sagt, sofort wieder zurück will ins Haus.
Ob es nur wegen ihres Vaters ist? Ob sie etwas weiß? Sie sagt, dass sie hofft, Max werde Dennis finden. Sie macht sich Sorgen, sie schaut ihm nicht in die Augen, irgendetwas stimmt nicht. Max will es wissen, er spürt etwas, er will diese Ahnung nicht. Was ist mit dem Jungen? Hat er sich so in ihm getäuscht? Wie die Arzttür zugeht und Johanna verschwindet. Sie hat sich nicht mehr umgedreht, ist schnell verschwunden. Max bleibt stehen, starrt die Tür an. Sie ist die Einzige, die wissen könnte, wo er ist. Bei seiner Großmutter hat er es schon versucht, da ist kein Ort übrig, wo er sein kann. Max sucht in allen drei Kneipen, die es gibt im Dorf, er fährt durch die Straßen, ratlos. Da ist nichts, kein Dennis. Er fährt zurück zum Haus, sucht den Friedhof ab, doch da ist nichts, es ist alles so, wie er es hinterlassen hat, nach dem Öffnen von Margas Grab. Keine Spur von Dennis. Keine Spur von Marga.
Max sieht es vor sich. Wie Dennis sie vom Friedhof bringt, wie er sie irgendwo im Wald vergräbt, wie er einen Erpresserbrief schreibt, wie er aus seinem beschissenen kleinen Leben flüchten will, Geld will, etwas anderes will, weg will. Wie er sich irgendwo versteckt und Angst hat. Wie er von etwas anderem träumt. Max geht über den Friedhof, er will zurück in sein Bett, zurück nach gestern, er will an nichts mehr denken, nicht an Marga, nicht an August, Kattnig, Dennis. Er zieht den Schlüssel aus seiner Tasche, er will aufsperren, den Tag hinter sich lassen, er will, dass sein Mund nicht mehr nach Alkohol riecht, er will, dass es dunkel wird. Da stürmt Stein auf ihn zu.
– Broll, Sie müssen etwas unternehmen.
– Was ist?
– Eingebrochen wurde, die Kirche wurde ausgeraubt, der Opferstock, goldene Leuchter, das ist ein Skandal, Broll.
– Ihr Verein ist doch bestimmt versichert, oder?
– Irgendjemand ist in der Sakristei eingebrochen und hat geplündert. Hat sich an Kirchengut vergriffen.
– Wie viel?
– Wie viel was?
– Wie viel war im Opferstock?
– Um das geht es doch nicht, es geht darum, dass nichts mehr heilig ist in dieser Pfarre, dass hier jeder macht, was er will.
– Ich bin müde, Stein. Rufen Sie die Polizei.
– Die sind schon da. Nachdem sie zuvor den Friedhof verwüstet haben, bringen sie jetzt auch noch die Sakristei durcheinander.
– Und?
– Es ist nichts mehr heilig, Broll, demnächst stehlen sie auch noch den Finger des heiligen Hieronymus.
– Was?
– Unsere Reliquie, Broll.
– Ein Finger?
– Ein außerordentlicher Schatz der römisch-katholischen Kirche, unbezahlbar.
– Ich sage Ihnen was, Stein, sollte der Finger tatsächlich eines Tages gestohlen werden, grabe ich Ihnen einen neuen aus. Und jetzt gute Nacht.
– Sie hören mir jetzt zu, Broll.
– Ich gehe jetzt nach oben.
– Sie werden mir die Leuchter wieder besorgen.
– Ich?
– Ja, Broll. Sie. Sie können sich ja denken, wer die Sachen hat. Wer sollte es sonst gewesen sein?
– Stopp, Stein. Da oben wartet eine Frau auf mich, deshalb ist dieses Gespräch jetzt beendet.
– Was soll das, Broll?
– Wenn es sich gut entwickelt, würde ich gerne mit ihr schlafen, aber ich weiß noch nicht genau, was mich erwartet da oben, sie wissen ja, wie die Frauen sind.
– Ich rede von einem Diebstahl, der das gesamte Dorf erschüttert, Broll.
– Und ich rede vom Bumsen.
– Ich werde es nicht zweimal sagen, wer der Dieb ist.
– Dann lassen Sie es.
– Die Polizei wird etwas finden, das diesen Dennis belastet, bestimmt hat er Fingerabdrücke hinterlassen, irgendetwas finden sie, und dann können Sie sich verabschieden von Ihrem Schützling.
– Sie machen das Theater hier wegen ein paar Münzen und zwei Kerzenständern?
– Dafür sitzt er ein.
– Gute Nacht, Stein.
– Sie werden auch noch verschwinden von
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