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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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See schneiden, größer als das, das August gebohrt hat, damit Baroni mit der Sauerstoffflasche nach unten kann.
    Die Eisdecke ist dicker, als Max gedacht hat. Er sägt. Baroni hüpft von einem Bein auf das andere, die Säge frisst sich in das Eis, Baroni flucht. Widerwillig zwängt er sich in seinen Neoprenanzug, in die Tarierweste mit den Bleigewichten, langsam schnallt er sich den Sauerstoff um, ungeduldig bindet Max ein Seil um seine Hüften. Es ist bereits hell, aber niemand ist zu sehen, keiner hört Baronis Stöhnen, als er in das Eiswasser eintaucht, keiner sieht, wie Max neugierig nach unten starrt, wie er gewissenhaft das Seil hält, damit Baroni wieder den Weg zurück nach oben findet.
    Die Taschenlampe in Baronis Hand schneidet Streifen in das dunkle Wasser. Er sinkt nach unten. Max kniet sich hin, seine Augen versuchen dem Licht zu folgen, er lässt das Seil ab, verliert das Licht aus den Augen, er kann nichts mehr von Baroni sehen. Nur wie das Seil durch seine Finger gleitet, wie Baroni immer tiefer taucht. Wie er unten ankommt. Das Seil bewegt sich nicht mehr. Wie Max es festhält. Wie er es nicht erwarten kann, dass Baroni wieder auftaucht, wie er aufgeregt am Seil zieht, wie das Licht wieder nach oben kommt. Wie Baroni aus dem Wasser kommt, sein Kopf, die Tauchmaske, sein Mund, seine Stimme.
    – Was soll das?
    – Was ist da unten? Hast du sie? Ist sie da?
    – Wenn du mich nicht suchen lässt, dann finde ich sie auch nicht.
    – Was ist da unten?
    – Nichts.
    – Was noch?
    – Sand, Steine, Holz. Nichts sonst.
    – Sie ist da unten, ich weiß es. Du hast das Loch doch auch gesehen, jemand hat hier gebohrt, jemand hat den See hier geöffnet. Warum, Baroni?
    – Weil er Fische aus dem Wasser holen wollte.
    – Bitte such weiter.
    – Dann hör auf, an meinem Seil zu ziehen.
    Baroni steigt wieder nach unten. Wieder verschwindet das Licht im Dunkel. Max stellt sich vor, wie Baroni den Grund absucht, wie er durch das Schwarz taucht. Nur der Lichtkegel, Sand. Plötzlich Baroni, wie er am Seil zieht, wie er nach oben schwimmt, wie Max ihn unter dem Eis hört, wie er aus dem Wasser kommt.
    – Da war ein Blumentopf. Er war auf einmal da, unten im Sand. Und daneben noch einer, und noch einer, wie ein Nest, wie Pilze am Seeboden.
    – Blumentöpfe?
    – Ja, fünf Stück, vielleicht einen halben Meter hoch.
    – Und was ist drin in den Töpfen?
    – Beton. Sie sind bis zum Rand säuberlich gefüllt mit Beton.
    – Du musst sie heraufholen.
    – Du spinnst ja. Es ist eiskalt, ich erfriere, wenn ich nicht sofort aus dem Wasser komme.
    – Bitte. Zumindest einen. Wir müssen nachsehen, was in den Töpfen ist.
    – Beton, Max, das sagte ich bereits.
    – Bitte.
    – Auf keinen Fall.
    – Einen, Baroni. Irgendetwas stimmt da nicht.
    – Was bist du bloß für ein Irrer.
    – Bitte, bitte, bitte.
    – Ein Topf voll Beton ist doch viel zu schwer für mich.
    – Du kannst das Seil um den Topf binden, ich ziehe. Mach schon, Baroni, lass mich nicht so betteln.
    – Wieso hab ich mich bloß auf diese Schnapsidee eingelassen. Du hast keine Ahnung, wie kalt das ist.
    – Ich versprech dir, du wirst es nicht bereuen.
    – Von mir aus, einmal gehe ich noch hinunter, nur einmal noch, dann gehe ich duschen und überlege mir, wie du das alles wiedergutmachen kannst.
    Baronis Kopf verschwindet wieder. Einige Minuten lang passiert nichts, dann ein Zeichen von Baroni am Seil. Max zieht mit aller Kraft. Er zerrt an dem Seil, zieht Stück für Stück nach oben, was da unten ist. Er stützt seine Beine am Eis ab, er sitzt, klemmt seinen Körper in das Loch, er zieht, so fest er kann, Hand für Hand, das Seil, der Topf, Baroni, wie er nach oben drängt. Max kann ihn sehen, den Topf, Baronis Hände. Wie er nach ihm greift. Dann das Wasser. Wie Baroni den Topf nach oben schiebt, wie Max ihn aus dem Wasser heben will. Wie er ihm aus der Hand rutscht, wie er auf Baroni fällt. Baronis Hand, die sich an den Beinen von Max festhalten will, wie sie Max nach unten zieht. Wie Max fällt, wie er das Seil loslässt und eintaucht.
    Eiskalt, überall das Wasser. Baroni greift nach dem Seil, Max steigt hilflos auf seine Schultern, er bekommt kaum Luft, Panik packt ihn. Baroni unter ihm, Max sucht Halt. Wie sein Herz schlägt, wild und laut. Wie er sich nicht festhalten kann, nicht aus dem Wasser kommt. Immer wieder rutscht er am Eis ab. Dann wie Baronis Hand nach oben kommt, wie sie sich am Eis festkrallt, wie er mit der anderen das Seil hält.

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