Die Schöne vom Nil
weiß es … er lebt!«
»Wir sollten darum beten, Leila. Wissen Sie, wieviel Stunden inzwischen vergangen sind?«
Der Bagger rollte heran. Es war ein Monstrum, das mit zwei Hieben den Stahldeckel herausreißen würde.
»Und was war die Explosion da unten? Wer ist noch mit ihnen im Grab? Verdammt, es muß noch einen anderen Ausgang geben!«
»Wir können doch den gesamten Komplex übersehen«, mischte sich Abdul ibn Khadar, der Geheimdienstchef aus Kairo, ein. »Hier kann kein Skarabäus unbemerkt mehr aus den Steinen krabbeln!«
»Es kann Gänge von mehreren hundert Metern geben. Wir haben schon die tollsten Überraschungen in den Grabanlagen erlebt.«
Professor Mitchener und die anderen Herren traten zurück. Der Bagger bezog seine Position vor der Stahlplatte.
»Hier, zum Beispiel!«
Harris Pernam deutete mit ausgestrecktem Arm über die Totenstadt. »Dort drüben ist die Grabanlage des Menesptah. Und hier, wo keiner jemals einen Einstieg vermutet hätte, gut hundert Meter entfernt, gibt es plötzlich noch einen Stollen! Wer weiß, wo ein anderer hinführt …?«
Pernam stampfte zornig auf den Geröllboden. »Wir alle haben doch die Explosion gehört … Herburg und Dr. Alius sind nicht allein unter der Erde …«
»Wir reden, reden, reden!« rief Leila verzweifelt. »Und keiner tut etwas! Für euch ist Frank schon tot, nicht wahr? Nur aussprechen will es keiner. Nehmt ihr Rücksicht auf mich? Warum wagt denn niemand, mich anzusehen? Ich sage euch: Er lebt! Aber ihr tötet ihn, indem ihr nur redet, redet …«
Die Baggerbesatzung maß den Abstand vom Arm bis zur Stahlplatte.
Toc-Toc rannte herbei und fuchtelte mit den Armen in der heißen Luft. »Wir lassen die Greifer einfach fallen«, schlug er vor. »Zwei- oder dreimal, dann haben wir die Tür aufgedrückt und den Einstieg nicht zerstört.«
»Tut doch etwas!« rief Leila verzweifelt und ballte die Fäuste. »Bei Allah … tut doch endlich etwas …«
Frank Herburg hatte die Stoffstreifen an die Zündschnüre geknotet und das Seil ausgelegt. Es reichte tatsächlich bis hinter die zerfetzte Stahltür, weit genug, um in aller Ruhe das Feuer zu legen.
Luisa tränkte zwei Taschentücher mit einem Gemisch aus Whisky und Mineralwasser, um sie bei der Explosion Herburg und sich an den Mund zu drücken.
Frank Herburg hockte sich direkt hinter die Trümmer zur ersten Tür und hielt das Ende des Stoffseils an die Gasflamme. Der Stoff nahm das Feuer sofort an. Gierig fraß sich die Flamme weiter …
Diesmal ging Herburg ruhiger in die Grabkammer zurück. »Setzen wir uns zu unserem lieben Menesptah, Luisa«, schlug er vor. »Die Flamme brennt gut, aber wann sie bei den Zündschnüren ankommt, kann man schlecht errechnen. Wir müssen warten.«
Er nahm Luisas kalte Hand und spürte, wie tief doch die Angst in ihr war. »Wir haben noch fünf Dynamitstangen«, sagte er wie tröstend. »Luisa, mach bitte jetzt nicht schlapp. Wir brechen alles durch – ich habe gar keine Sorge …«
Er zog sie in die wunderbare goldene Grabkammer des kleinen Pharaos und setzte sich auf den Rand des offenen Rückens des großen Frosches; die Papyrusrollen wagte er nicht zu berühren. Durch die Luftzufuhr könnten sie zusammenfallen, wenn man sie anfaßte. Solange sie luftdicht abgeschlossen waren, hatten sie 5.000 Jahre überdauert. Jetzt mußten sie erst äußerst vorsichtig mit einem Feuchtigkeitsschutz und einem Konservierungsmittel eingesprüht werden, das die Biegsamkeit nicht beeinträchtigte.
Hoffentlich überleben wir die Explosion, dachte er. Drei Stangen Dynamit – gekoppelt in dem Schlauch –, das ist ein harter Brocken. Aber wir müssen jetzt aufs Ganze setzen … wer weiß, wie es hinter dieser zweiten Tür aussieht! Es wäre ja zu lächerlich einfach, wenn dann nichts mehr käme als der freie Weg in die Sonne …
Er blickte Luisa an. Sie lehnte an dem goldenen Sarkophag und betrachtete die Totenmaske des Menesptah, die in den Sargdeckel eingelassen war. Die Edelsteine in den Augenhöhlen und auf dem königlichen Stirnband waren herausgebrochen worden. An dem Goldsarg war Suliman anscheinend nicht interessiert gewesen; der war ihm sicher, nachdem er die Stahltüren einbetoniert hatte.
»Er muß ein hübscher Junge gewesen sein, euer Menesptah«, sagte Luisa. »Es hat damals wirklich schöne Menschen gegeben. Woran mag er so früh gestorben sein?«
»Imhotep hat es bestimmt auf diese Papyrusrollen aufzeichnen lassen. In einigen Wochen werden wir es wissen
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