Die Schöne vom Nil
Metallkoffer vor der Tür ankamen. »Ich habe es Ihnen doch deutlich genug gesagt: Sie gehen da nicht hinunter!«
»Sogar als erste!« Luisa setzte sich auf den abgestellten Koffer und klopfte mit der rechten Faust gegen das Metall. »Hier sind Gasmasken und Spezialfilter, Sprühflaschen mit Gegengiften, sogar ein kleiner Flammenwerfer. Was sagen Sie nun?«
»Wir graben die Mumie eines Pharaonen aus, aber wir erobern keine Panzerfestung!«
»Sehr witzig!«
Luisa Alius nickte Leila zu, die diese Begrüßung mit einem verächtlichen Blick quittierte. Die Ärztin sagte: »Ich nehme an, die schöne Leila will mit Ihnen ins Innere des Grabes vordringen. Sozusagen als Schutzengelchen! Aber aller Liebesglaube nutzt nichts, wenn die Pharaonenärzte die Wände mit einem uns noch unbekannten Gift besprüht haben, das sich – auch nach Jahrtausenden – bei Luftzufuhr zu Gas verflüchtigen kann. Soll Leila in Ihren Armen den Liebestod sterben, Dr. Herburg?«
»Das sind doch alles Theorien«, meinte Herburg geringschätzig.
»Professor Mitchener hätte diese ›Theorie‹ beinahe das Leben gekostet. Was wollen Sie eigentlich? Warum eigentlich lassen Sie mich nicht zuerst ins Grab? Ich tue es doch freiwillig, zu Ihrer aller Schutz will ich das Risiko auf mich nehmen. Oder können Sie es nicht ertragen, mich in Gefahr zu wissen, Dr. Herburg?«
»Ja«, sagte Herburg dumpf. »Verflucht ja. Sie wissen es genau. Sie sind hier, um die Schlacht zu eröffnen!« Er trat wütend gegen die glänzende Metallkiste, auf der Luisa saß.
An der Tür hatte man den Einstieg jetzt ganz vorsichtig so weit abgetragen, daß ein Mensch bequem hineinkriechen konnte.
»Machen wir es umgekehrt: Sie geben mir Ihre Spezialmasken und diese Sprühdosen, und ich gehe zuerst hinein!« schlug Dr. Herburg vor.
»Nein!« entgegnete Luisa hart.
»Und warum nicht?«
»Ich komme gerade von Professor Mitchener. Er sitzt im Bett und frühstückt: Tee und Ei mit Toast. Das befreit mich von meiner ärztlichen Aufgabe, zumal Dr. Abdullah ihm Gesellschaft leistet. So kann ich mich wieder um mich kümmern. Ich lasse Sie nicht in dieses Gräberlabyrinth, Frank … weil ich Sie liebe.«
In diesem Augenblick begriff Leila, daß es möglich war, einen Menschen ohne Reue zu ermorden.
Es war nur ein Satz, nur ein kleiner Satz – aber er hatte eingeschlagen wie ein Funke ins Pulverfaß. Kein Pathos war in diesem Satz gewesen, keine Leidenschaft oder Gefühlserregung. »Weil ich Sie liebe« war gesagt worden wie eine ärztliche Diagnose. Es war, als habe Luisa festgestellt: Ich habe Durst, es ist schon verdammt heiß.
Diese nüchterne Feststellung paßte zu ihren emanzipierten Ansichten. Auch einem Mann gegenüber darf man frei sagen, was man denkt. Und wenn es aus der Tiefe des Herzens oder der Gefühle kommt. Liebe gehört dazu. Liebe ist kein Geheimnis mehr. Man ißt, man trinkt, man schläft, man läuft herum, man faßt etwas an – und so liebt man auch. Der Mensch und seine Funktionen … Funktionen bestimmter Körperteile, besonderer Hormone. Natürliche Vorgänge! Warum sie verschweigen, wenn sie zum Menschen untrennbar gehören?
Frank Herburg war angenehm überrascht und geschmeichelt. Nur wußte er nicht recht, wie er reagieren sollte. Neben ihm stand Leila mit einem Gesichtsausdruck, der keinen Zweifel daran ließ, daß sie in diesem Augenblick wünschte, Dr. Luisa Alius möge tot umfallen.
Herburg mußte das Bekenntnis hinnehmen oder so tun, als habe er Luisas Worte in dem allgemeinen Lärm des Baggers, der Gräberkolonnen und der vielen Zurufe, die von Mann zu Mann flogen, einfach nicht verstanden.
Beides widerstrebte ihm, denn wer kann ruhig bleiben, wenn eine schöne begehrenswerte Frau so ganz einfach zu ihm sagt: Weil ich Sie liebe …
Dr. Alius schien allerdings auch keine Antwort erwartet zu haben. Sie erhob sich von ihrem Metallkoffer, winkte den beiden Trägern und ging hinüber zu dem erweiterten Grabeingang. Dr. Herburg wollte ihr folgen, aber Leila hielt ihn am Arm fest.
»Laß sie!« sagte sie leise. »Laß sie zuerst ins Grab, Frank.« Sie sprach mit einer so harten Stimme, wie sie Frank Herburg noch nie gehört hatte.
»Ich bin, solange der Professor krank ist, verantwortlich für alles, was hier passiert. Ich kann es nicht zulassen, daß …«
»Wenn sie es doch nicht anders will …«
»Wenn alle tun würden, was sie wollen … Dann würdest du sie jetzt töten!«
»Ja! Das würde ich tun«, antwortete Leila leise und sehr
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