Die Schöne vom Nil
Alius alle Vollmachten für ihre Forschungen nach noch unbekannten altägyptischen Giften. Alle Behörden, einschließlich Polizei und Militär, wurden aufgefordert, ihr jede Unterstützung zu gewähren. Die Regierung erteilte gewissermaßen eine Generalerlaubnis. Dazu eine Menge Stempel und Unterschriften, die allein schon auf jeden Menschen, besonders auf jeden Beamten, imponierend wirkten.
Frank Herburg faltete das Schreiben zusammen und steckte es in die Tasche der Khakijacke zurück. Sie hatte mittlerweile alle Schläuche verbunden. Jetzt schraubte sie das Gestell der Rückentrage an.
»Zufrieden?« fragte sie über die Schulter.
»Wo haben Sie das so rasch her? Ich rief an …«
»Gut vorgearbeitet, nicht wahr? Ich wäre sowieso gekommen.«
»Ach …«
»Was noch? Fehlt noch etwas? Ein Daumenabdruck von Sadat?«
»Es fehlt gar nichts, nein. Etwas ist zuviel, Sie!«
»Ihr Charme ist erdrückend, Frank! Ich habe noch nie einen Mann gekannt, der soviel Herzlichkeit ausstrahlt wie Sie.«
»Ich kann Sie auf Grund Ihrer Vollmachten nicht daran hindern, hier zu arbeiten«, sagte Herburg heiser vor Erregung. Nicht ihre arrogante, emanzipierte Art erregte ihn, sondern vielmehr die Vorstellung, daß Luisa vielleicht wochenlang mit ihnen zusammen im Camp wohnen würde.
Natürlich war da noch Dr. Harris Pernam, der sich vorgenommen hatte, den Eisberg Luisa zum Schmelzen zu bringen. Seit der vergangenen Nacht trainierte er eifrig, seine britische Unterkühlung abzubauen.
Wenn eine Frau zu einem Mann völlig unbefangen sagt: »Weil ich Sie liebe …«, dann ist damit wenigstens auf einer Seite völlige Klarheit erreicht.
Der Fluch der Pharaonen schien sich im Grab Menesptahs zu wandeln: Nicht chemische oder bakterielle Gifte allein bedrohten die Archäologen; das ganze Unternehmen war jetzt auch noch durch den erbitterten Kampf zweier Frauen um einen Mann gefährdet. Die Eifersucht konnte verheerendere Folgen haben als alle Tricks des geheimnisvollen Imhotep, des größten Arztes, Baumeisters und Intriganten der dritten Dynastie. Die Glanzzeit Alt-Ägyptens – eine Wiege menschlicher Frühkultur … Zwei sich hassende Frauen lassen alles verblassen.
»Es ist erfreulich, daß Sie das einsehen!« antwortete Luisa Alius. »Ich will hier nämlich wirklich arbeiten. Ich habe außerdem vom Institut für Mikrobiologie in Kairo, mit dem wir eng zusammenarbeiten, eine ganze Liste mitbekommen darüber, was man noch alles in den Gräbern vermutet. Bei den meisten Ausgrabungen blieben ja nur Hypothesen übrig, weil Jahrhunderte vorher Grabräuber durch Luftzufuhr manche Wirkungen aufhoben. Es ist wohl anzunehmen, daß eine ganze Menge dieser Grabschänder gestorben ist, elend umgekommen an schrecklichen Lähmungen oder Nervenschäden – aber darüber hat selbstverständlich niemand berichtet! Was wir wirklich kennen, das ist die lange Liste der Erkrankungen und Todesfälle der Ausgräber unserer Zeit – eben, seit darüber Protokolle geführt wurden oder Tagebücher vorliegen.«
»Ich kenne das alles. Daß Sie an so etwas glauben, finde ich verwunderlich.«
»Wenn wir mehr Zeit haben, erzähle ich Ihnen einige Fälle aus der jüngsten Zeit, die weithin unbekannt geblieben sind, weil es persönliche Tragödien waren oder keiner die Zusammenhänge erkannt hat. Aber eines taucht immer wieder auf: Forscher fallen ohne jeden erkennbaren Grund um, werden gelähmt oder sterben an Lungenversagen; oder sie werden in derartig starke Depressionen und geistige Verwirrungen gestürzt, daß es in den meisten Fällen zu Selbstmorden oder Unglücksfällen kommt, die sie selbst verschuldet haben. Wie ist es zu erklären, daß einige Ägyptenforscher ohne sichtbaren Grund aus Fenstern in den Tod sprangen? Oder daß sie auf einer kerzengeraden Straße ihr Auto plötzlich scharf nach links wenden und einen entgegenkommenden Wagen rammen? Nur ein einziger, der diesen Unfall zwei Stunden überlebte, konnte noch aussagen: ›Ich mußte es! Ein innerer Befehl zwang mich: nach links! Ich konnte einfach nicht anders …‹ – Das soll man einfach überhören? Als Arzt, als Forscher, als Toxikologe? Könnten Sie das, Frank?«
»Luisa, ich möchte aber nicht, daß Sie …«
»Sie würden bei den vielen Argumenten, daß es einen Pharaonenfluch – sagen wir, auf chemischer Basis – gibt, nicht aufgeben! Und ich tue es auch nicht!«
Sie hob die fertigmontierte Atemausrüstung etwas hoch und nickte. »Schwer, aber sicher. Helfen Sie mir bitte,
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