Die Schöne vom Nil
Radargerät zum Aufspüren von versteckten oder vermauerten Hohlräumen, ein Gaswarngerät, Spaten mit kurzem Stiel und ein zweites Paar Plastikhandschuhe, falls die ersten zerrissen …
Auf dem Hügel standen Professor Mitchener und Dr. Abdullah und starrten in den Lauf der Maschinenpistole, die ihnen Dr. Pernam entgegenhielt. Seit einer Stunde schrie man sich an – und jeder hatte eigentlich mit seinen Argumenten recht, das war das verrückteste.
Bevor Dr. Herburg in das Grab einsteigen konnte, hatte er einen verzweifelten Kampf mit Leila ausgefochten. Getreu Toc-Tocs Warnung, Frank nie mehr allein zu lassen, war sie immer um ihn. Wie er es sich gedacht hatte – nämlich mit Dr. Pernams Hilfe in das Grab zu steigen, war völlig unmöglich.
»Wenn du es trotzdem heimlich tust«, sagte sie am Schluß einer langen Debatte mit ganz ruhiger Stimme, »werde ich es machen wie Kleopatra: Ich lege meine Hände in einen Korb mit Giftschlangen … Was willst du also: mich mitnehmen oder mich töten …?«
Er hatte keine andere Wahl gehabt, als sie mitzunehmen. Dann mußte er sich Dr. Abdullahs Drohung anhören, ihn umzubringen, wenn Leila etwas zustoßen sollte.
»Einigen wir uns doch so«, rief Herburg gerade hinauf, während er seine Schutzkleidung fest verschloß, »jeder bringt jeden um! Und der Übriggebliebene tötet sich selbst! Die Welt wird aufjubeln! Endlich wieder Stoff für viele Illustriertenserien und für noch mehr gelehrte Bücher! Der Fluch der Pharaonen erfüllt sich in schrecklichster Weise auf ganz moderne Art! Wenn Sie bisher nichts unsterblich gemacht hat, Professor, ein solcher Massentod reicht für alle Zeiten! Wer fängt an? Abdullah, erschießen Sie mich? Dann legt Pernam Sie um. Professor Mitchener, Sie müssen dann Pernam oder Toc-Toc töten. Bleibt Pernam übrig, sind Sie dran, Mitchener. Dann könnte noch Mr. Polski jemanden erschießen … Himmel, ist das ein kompliziertes Spielchen! Da ist Schach leichter. Wer wird übrigbleiben?«
Er band seinen Gürtel mit den Geräten um und griff sich an die Stirn. »Merkt denn keiner«, schrie er, »wie idiotisch wir alle sind? Wir benehmen uns wie Hirnlose und wollen Gelehrte sein! Wirkt denn tatsächlich schon ein zerstörerischer Virus aus dem Pharaonengrab? Professor Mitchener, wovor haben Sie eigentlich Angst?«
»Daß Ihre Sturheit, doch in die Grabanlage zu steigen, unserer Luisa Alius vielleicht das Leben kostet«, rief der Professor hinunter zum Grabeingang. »Ich verzichte auf meinen Menesptah, hören Sie, Frank? Ich will ihn nicht mehr … Ich weiß jetzt, daß es ihn gibt, das genügt mir! Ich will ihn gar nicht als Mumie sehen! Ist das eine klare Meinung, Frank?«
Und für Luisa tue ich es ja, dachte Herburg und vermied es, Leila anzusehen. Sie wurde gerade von Toc-Toc fertig angekleidet.
In dem Plastikanzug, unter der Plastikkappe, sah sie fast wie Luisa aus – bis auf die schwarzen, vor Erregung glühenden Augen.
Das ist es ja, dachte Herburg verzweifelt weiter, was ich nicht sagen kann. Ich liebe Leila und werde sie heiraten, wenn wir hier alles lebend überstehen, aber diese Luisa … Ich bin auch verrückt nach ihr. Und es wird immer schlimmer, je mehr ich mich dagegen wehre! Ich weiß, daß sie heute genauso handeln würde wie ich, wenn ich in der vergangenen Nacht entführt worden wäre. Sie stände jetzt auch hier, bereit, in das Grab zu steigen, um ganz bewußt die unbekannten Mächte zu provozieren, die verhindern wollen, daß wir die Grabkammer entdecken. Verhindern – warum? Das war zu klären, das mußte geklärt werden. Nicht einen Augenblick würde Luisa zögern – nicht eine Minute würde sie verlieren …
»Weil ich Sie liebe …«
Das hatte sie, in Leilas Gegenwart, ganz offen gesagt. Welch ein Felsen an Mut! Und ich habe den Kopf eingezogen und habe mich in billigen Sarkasmus geflüchtet. Was ich jetzt tue, das ist eine Art von Wiedergutmachung. Und daß ich Leila mitnehme, ist eine Schufterei, auch wenn sie mich dazu erpreßt hat. Sie ist glücklich, bei mir zu sein … und ich steige in das Grab, weil ich Luisa anbete … Frank Herburg, rede dich nicht damit heraus, daß du ein Mann bist und damit schwach vor weiblicher Schönheit … Du bist ein schuftiger Elendshaufen, weiter nichts …
»Fertig!« sagte jetzt Toc-Toc. »Sir, die Leinen sind fest geknotet. Es kann nichts passieren.«
Frank sah Leila an. Sie lächelten sich zu, in ihrer Kunststoffverpackung sahen sie aus wie Wesen von einem anderen
Weitere Kostenlose Bücher