Die Schöne vom Nil
was auf mich fällt, sind nur Trümmerstücke. Er ist über mich hinweggestürzt und an der Felswand zerschellt.
Ein Stein traf sie am Kopf und löschte ihre Gedanken aus.
Toc-Toc war es mit Hilfe der beiden Arbeiter gelungen, das eine Nylonseil um einen dicken Stein zu schlingen. Das zweite Seil bewegte sich nicht mehr. Wenn er daran zog, straffte es sich zwar, aber wenn er nachließ, fiel es schlaff auf die Erde.
Harris Pernam schrie nach dem dritten Schutzanzug, nach Gasmaske, Pistole und Handscheinwerfer. Aber die Ersatzgeräte lagen weit entfernt in den Baracken der Forschungsgruppe, und einen Schutzanzug zu holen, bedeutete, wertvolle Minuten zu verlieren. Nur eine Gasmaske war vorhanden. Dr. Pernam erinnerte sich genau an das, was Dr. Alius gesagt hatte: »In dieser Grabanlage werden wir drei verschiedene Giftarten antreffen: ein Atmungsgift, ein Gift, das sich erst nach der Berührung mit Sauerstoff entwickelt, und ein Kontaktgift. Man kann einen solchen Grabschutz als vollendet bezeichnen …«
Dr. Abdullah ibn Hedscha mußte von einigen Männern festgehalten werden. Er wollte, so wie er war, in das Grab laufen und seine Tochter Leila herausholen.
Professor Mitchener hockte auf seinem Klappstuhl, in Minuten um Jahre gealtert, und beobachtete Pernam, der sich die Gasmaske um den Hals hängte.
»Harris, so können Sie nie und nimmer hinunter!« sagte er tonlos.
»Wie denn sonst?« schrie Pernam zurück. »Die Maske muß genügen!«
Er riß einen starken Scheinwerfer an sich, lud die Pistole durch und streifte einfache Gummihandschuhe über, die er immer trug, wenn er die Trümmerstücke analysierte.
Dann faßte er das straffe Nylonseil und ging in das Grab hinein. An der Tür stülpte er sich die Gasmaske über. Der Scheinwerfer leuchtete und erhellte den schräg abfallenden, breiten Gang. Die weißen Seile wiesen Pernam den Weg, den zweiten Quergang … dann endlos an Mumiengefäßen entlang … durch eine hohe leere Kammer … hinein in einen neuen Gang.
Harris Pernam begann zu laufen. Er kümmerte sich nicht darum, daß das verkehrt war, denn unter einer Gasmaske hastiger zu atmen ist eine Qual. Er war ein alter Krieger und kannte das von militärischen Übungen her, bei denen er Dauerläufe mit der Gasmaske durchgestanden hatte, an deren Ende man auf die Erde fiel wie eine tote Fliege.
Dann sah er im schwankenden Strahl seines Scheinwerfers die von Herburg geschilderte Treppe, er sah den über der ersten Stufe liegenden, zerschellten Wächter, und er sah das Loch, das einmal die dritte Stufe gewesen war und in dem nun das eine Seil verschwand.
Pernam kletterte über die Trümmer der Figur und zog Leila unter einem Steinhaufen hervor. Er riß an dem Seil, das sie um den Leib trug – für Toc-Toc draußen das Zeichen, das Seil langsam einzuziehen.
Pernam legte die Bewußtlose über seine Schulter, kletterte über den zertrümmerten Wächter hinweg in den Gang und tappte den Weg zurück. Sein Atem rasselte unter der Maske, das Gesicht war schweißüberströmt, aber er konnte nicht stehenbleiben. Toc-Toc zog immer weiter und zwang ihn dadurch, weiterzugehen. Er stieß gegen die Wände der Gänge, gegen die Wandmalereien und dachte nicht mehr an Luisas Warnung vor den Kontaktgiften, die schon bei der Berührung gefährlich werden konnten.
Wo mochte Frank Herburg stecken? dachte er immerfort. Hängt er ohnmächtig über der unbekannten Tiefe oder hat ihn der Sturz getötet? Und wenn er dabei seine Maske verloren hat? Es geht um Sekunden, Harris … weiter … weiter …
Dann taumelte er aus dem Grab. Abdullah zog sich gerade den herbeigeholten dritten Schutzanzug an und stürzte auf seine Tochter zu. Wieder mußten ihn die Arbeiter zurückhalten, und Professor Mitchener brüllte gleichzeitig: »Abdullah! Denken Sie an das Gift!«
Dr. Pernam riß sich die Gasmaske vom Gesicht und atmete tief durch. So heiß diese Luft auch war … es war die köstlichste Luft, die er je eingeatmet hatte.
»Sie lebt!« keuchte Pernam. »Aber Frank – Frank hängt höchstwahrscheinlich über einem Abgrund. Er scheint eingebrochen zu sein … Abdullah, Sie schaffen das nicht allein! Ich gehe wieder mit Ihnen. Nur ein paar Atemzüge noch. Diese Luft ist herrlich …«
Eine halbe Stunde später trug man Dr. Frank Herburg aus der Grabanlage und brachte ihn in einem Jeep in einen abgeschirmten Teil des Laborzeltes, das Dr. Alius als ›Isolierkammer‹ eingerichtet hatte. Hier wurden die Schutzanzüge ausgezogen und
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