Die Schöne vom Nil
Kommen Sie zurück, Frank! Es ist alles okay!«
»Leila …«, kam es über Herburgs Lippen. Es war kaum zu hören, aber jeder verstand es. Dann öffneten sich langsam seine Augen, und er starrte Pernam in das grinsende Gesicht. »Harris …«
»Bleib liegen, Junge! Ganz ruhig.« Pernam drückte Herburg in das Kissen zurück, als dieser den Kopf heben wollte. »Nur noch keine Kraftakte! Es ist alles in Ordnung. Leila lebt und liegt nebenan. Sie haben eine dicke Schläfe, als habe einer mit dem Hammer draufgehauen. K.o. für eine Stunde – nichts weiter!«
»Die dritte Stufe war eine Falle …«
»Das wissen wir alles schon. Ich habe Sie ja rausgeholt.«
»Harris?« Herburg wollte wieder hoch, aber Pernam drückte ihn zurück aufs Bett. »Sie sind einfach so ins Grab …?«
»Na ja …«
»Rindvieh!«
Pernam war weit davon entfernt, beleidigt zu sein. »Ich sehe es jetzt ja ein«, sagte er mit breitem Grinsen, »ich hätte Sie hängen lassen sollen.«
»Es ist ein Schacht, dessen Grund ich mit dem Scheinwerfer nicht erfassen konnte.«
»Wie schön! Außerdem wäre Leila bald von dem steinernen Wächter erschlagen worden.«
»Mein Gott!« Jetzt schnellte Herburg doch hoch; er erkannte auch Professor Mitchener und Dr. Abdullah neben seinem Lager. »Was ist mit Leila? Ihr sagt mir nicht die Wahrheit!« schrie er plötzlich los. »Abdullah, warum sitzen Sie hier und nicht bei Ihrer Tochter? Ich will Leila sehen … sofort! Ihr belügt mich alle …«
»Wie er sie liebt!« sagte Dr. Pernam ruhig. Er faßte den Liegenden unter die Schultern, zog ihn vom Bett hoch und stellte ihn auf die Beine. Herburg schwankte wie ein Betrunkener und hielt sich an Pernam fest. »Los! Gehen Sie hinüber! Besichtigen Sie Ihre Leila!«
»Sie sind ein brutaler Bursche, Harris«, sagte Mitchener und half mit, den torkelnden Herburg zu stützen. »Frank, setzen Sie sich wieder. Leila geht es wirklich gut … Mein Ehrenwort!«
»Danke.«
Herburg setzte sich in den Korbsessel, in dem Mitchener bisher gesessen hatte, schloß die Augen und atmete schwer. Jetzt kamen die Schmerzen. Sein Kopf, von der rechten Schläfe aus, schien zu zerspringen.
»Morgen machen wir weiter!« sagte er heiser.
»In dem Grab ist kein Nervengift«, sagte der Professor, »sondern ein Gift für Idiotie! Frank, Sie haben selbst gesagt, das sei eine völlig ungewöhnliche, neue Grabanlage in drei Etagen, die untereinander verbunden sind …«
»Ja.«
»Um das alles zu erforschen, reicht unsere Ausrüstung nicht aus! Wollen Sie überflüssigerweise in neue Tiefen stürzen – über neue Falltüren oder stufenlose Treppen?«
»Wir können innerhalb von drei Tagen aus Kairo alles herbeiholen, was wir brauchen.«
»Gut.« Mitchener hob hilflos die Schultern. »Warten wir ab, was in drei Tagen alles geschehen wird. Vor allem, ob wir Nachricht von Dr. Alius bekommen. Das scheint mir jetzt viel wichtiger zu sein als diese … Kindermumie!«
Herburg versuchte es noch einmal, aufzustehen. Es ging ein wenig besser als vorhin, er konnte sich ohne Unterstützung auf Pernam zubewegen und schwankte auch nicht mehr so stark. Aber die wahnsinnigen Schmerzen in seinem Kopf ließen nicht nach. Er verschwieg sie, weil er wußte, daß man ihn dann mit Gewalt von neuem auf das Bett legen würde.
»Gehen wir zu Leila«, sagte er mit mühsam fester Stimme. »Sie hat sich ungeheuer tapfer benommen.«
»Wenn Leila etwas zugestoßen wäre … Frank, mich hätte niemand daran hindern können, Ihr Seil zu kappen!« sagte Dr. Abdullah dumpf.
»Ich weiß.« Dr. Herburg ging langsam zur Tür. Jeder Schritt war wie ein Paukenschlag in seinem Kopf. »Sie können es später immer noch tun …«
VIII
Dr. Luisa Alius hatte sich nicht wehren können, als zwei der Reiter sie ergriffen, sie zwischen ihre Pferde zerrten, einer sie zu sich hinaufzog und ihr die Hand auf den Mund drückte.
Es geschah alles so schnell, daß ihre erste instinktive Gegenwehr erst einsetzte, als der Reiter bereits durch den weiten Park Sulimans galoppierte und durch das aufgebrochene hintere Tor das Grundstück verließ. Vom Palast her hörte sie noch Schüsse, Schreien, Kreischen und Brüllen.
Der Reiter hielt sein Pferd an und nahm seine Hand von Luisas Mund.
»Bitte, wehren Sie sich nicht!« sagte er in geschultem Englisch. »Ich habe den Auftrag, Ihnen nicht weh zu tun – und ich müßte es, sollten Sie unvernünftig sein. Es ist sicherlich klüger, die nächsten Tage abzuwarten.«
»Wer sind Sie?«
Weitere Kostenlose Bücher