Die Schöne vom Nil
nasse kalte Tuch auf seiner Stirn tat gut. Frank Herburg schloß noch einmal die Augen und atmete tief durch.
Lebendig eingemauert, dachte er. Für zwei Wochen Luft … dann beginnt das Ersticken. Hervorragend ausgedacht, Suliman! So kann man zwei Menschen spurlos verschwinden lassen.
Er setzte sich langsam auf, fing das von seiner Stirn fallende Taschentuch auf und tastete seinen Kopf ab.
»Es ist nichts zerbrochen«, meinte Luisa. »Ich habe Sie untersucht, als die beiden Nubier mit Ihnen erschienen. Nur eine Beule mehr.«
Sie beugte sich vor und drehte die beiden Propangaslampen niedriger. Sie drosselte das Licht so weit, bis sie in einer diffusen Dämmerung saßen, um sich die Felsenkammer mit einem verschwommenen Wandgemälde, das einen Fischer am Nil darstellte. Auch zu seinen Füßen hockte ein großer goldener Frosch …
»Wir müssen mit dem Gas sparen. Ich glaube nicht, daß die Flaschen vierzehn Tage lang reichen …«
Frank Herburg stand auf. Seine Beine waren noch wie knochenlos, er stützte sich auf Luisas Schulter und versuchte vorsichtig einige Schritte. Er kam bis zu der gegenüberliegenden Wand und lehnte sich dort an den kalten Felsen.
»Ich habe gar keine Erfahrung …«, sagte er, schwer atmend. »Ist Ersticken ein schrecklicher Tod?«
»Wenn man erdrosselt wird, ja. In unserem Fall kaum …«
»Wieso?«
»Wenn sich der Sauerstoff immer mehr umwandelt in Stickstoff und Kohlendioxyd, verwandelt sich auch der Sauerstoffgehalt des Blutes und reichert sich mit dieser Umwandlung an. Das erzeugt aber keine Atemkrämpfe, sondern führt zuerst zu einer ausgesprochenen Euphorie und dann zur Apathie. Man schläft ein … vergiftet durch die chemische Arbeit des eigenen Körpers! Denken Sie nur an die vielen Selbstmorde mit Autoabgasen … das ist das gleiche, nur in hochkonzentrierter Form!«
Frank sah Luisa lange an.
Seine Augen hatten sich an die fahle Dämmerung gewöhnt, er konnte wieder Einzelheiten erkennen. Luisa war auf dem Teppich sitzen geblieben, sie stützte ihren rechten Ellenbogen auf einen viereckigen Lederkoffer.
»Was haben Sie denn da Schönes mitgebracht?« fragte Herburg.
»Sie werden staunen! Suliman ist sogar noch ein reizender Gastgeber, wenn er tötet. Das war einmal Salimahs großer Schminkkoffer.«
»Salimah ist tot.«
»Ich weiß es. Er hat sie sogar in meiner Gegenwart umgebracht. Suliman hat eine meisterhafte Fähigkeit, mit dem Dolch zu werfen.«
»Ich bewundere Sie, Luisa«, sagte Herburg leise. »Jede andere Frau in Ihrer Lage würde hysterisch werden vor Angst …«
»Ja, ich war auch nahe dran, Frank. Als sie mich allein in das Grab schafften und hier einschlossen, habe ich gedacht: das kannst du nicht mehr unterdrücken. Jetzt mußt du schreien! Toben! Um Gnade winseln …! Ich habe es nicht getan. Erst als ich wieder allein war, habe ich das Gesicht gegen den Felsen gepreßt und in den Stein hineingejammert … aber nur ein paar Minuten. Das kostet Kraft, habe ich mir dann gesagt, und kostet Sauerstoff! Vielleicht ist alles nur ein grausamer Trick von Suliman, um Zeit zu gewinnen oder mich in sein Bett zu zwingen. Morgen oder übermorgen holt er mich wieder ab … Diese Hoffnung in der Verzweiflung! Dann brachten die Nubier Sie und mauerten uns ein. Da wußte ich: Es ist endgültig!«
Sie klopfte auf den ledernen Schminkkoffer Salimahs. »Sie wollten wissen, was da drin ist …«
»Ja …«, sagte Frank.
»Zwei Flaschen Whisky, eine Flasche Gin, vier Flaschen Mineralwasser, Kekse, Schokolade, Zwieback … unsere Henkersmahlzeit.«
»Für jeden zwei Flaschen Wasser? Pro Woche eine Flasche?«
»Sie vergessen Whisky und Gin.«
»Wir könnten doch alles abkürzen und uns zu Tode saufen …«
»Sehr unsicher! Jeder eine Flasche Whisky und eine halbe Flasche Gin … das halten wir noch aus, Frank. Wir sollten anders disponieren. Wenn wir merken, daß wir müde werden, wenn sich also unser Blut mit Kohlendioxyd anreichert und die Euphoriephase vorbei ist, dann sollten wir uns alkoholisieren. Dann wird es wie ein erlösendes Narkotikum wirken.«
»Luisa, Sie haben Angst vor dem Sterben?«
»Jetzt nicht mehr. Du bist ja hier.«
Zum erstenmal sagte sie Du.
Aber sie hatte es nicht gesagt, um die Wirkung auf ihn zu beobachten, sondern weil es ihr einfach zu dumm war, gemeinsam sterben zu müssen und durch das Sie voneinander distanziert zu sein.
»Ich kann dir herzlich wenig helfen.«
Herburg stieß sich von der Wand ab, hob eine Leuchte hoch und
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