Die Schöne vom Nil
Geheimdienstchef und der Polizeipräsident ihn vom Sarg wegzogen und in einen Nebenraum führten.
Dort sank er auf einen seidenen Diwan, schlug beide Hände vor das Gesicht und schluchzte wie ein kleines Kind.
Durch die Finger beobachtete er dabei genau seine Umgebung. Es ist mir fabelhaft gelungen, dachte er dabei. Man wird nie auf die Wahrheit kommen … und ich werde Salimah ein Grabmal bauen wie einer Königin …
»Was sagen Sie nun?« flüsterte Pernam hinter Leilas Rücken. Die Soldaten hatten den Deckel wieder über den Sarg gelegt. »Das war doch ehrliche Erschütterung. Er muß tatsächlich unbekannte mächtige Feinde haben. Und in den Sog dieser Feindschaft sind wir hineingeraten …«
»Man müßte sein Haus durchsuchen …«
»Wer würde jetzt dazu den Auftrag geben? Nach diesem Schmerz? Der Geheimdienstchef ist erschüttert, jeder ist erschüttert über soviel tödliche Feindschaft ringsum. Suliman ist zur ganz großen tragischen Figur geworden. Ich schätze, wir werden auch umdenken müssen, Leila.«
»Sie, Harris!«
Sie drehte sich langsam um und blickte durch die Halle hinaus ins Freie, auf den Kaskadenbrunnen und die im Wind sich wiegenden schlanken Palmen.
»Ich spüre, daß Frank lebt. Verstehen Sie das? Ich fühle es mit jedem Nerv! Frank lebt …«
Professor Mitchener kam zu ihnen herüber. Er war sichtlich beeindruckt von Sulimans Trauer und Schmerz.
»Das war es ja nun wohl …«, sagte er sehr bitter. »Nun dürfte es endgültig feststehen: die Arbeiten am Grab werden eingestellt.«
»Solange Frank verschwunden ist, suche ich weiter!« sagte Dr. Pernam fest. »Derjenige, der ein Interesse daran hat, daß wir nicht weiter ins Grab vorstoßen, wird noch nervöser werden als bisher!«
»Und es gibt noch mehr Tote, Harris.«
»Man kapituliert also vor diesem Terror? Auch eine Art, Ruhe zu schaffen. Den Kopf vorbeugen, damit man ihn besser abschlagen kann! Warum kommt keiner auf die Idee, die Grabungen unter Militärschutz fortzusetzen? Jetzt erst recht!«
»Sagen Sie das mal dem Chef der Geheimpolizei.«
»Der ist dafür doch überhaupt nicht zuständig!«
»Er scheint aber in unserem speziellen Fall beauftragt zu sein, alle Maßnahmen zu koordinieren. Und Abdul ibn Khadar hat gesagt: Schluß! Ich nehme an, er wird das Grab bewachen lassen, damit wir nicht wieder hinabsteigen …«
»Und Luisa und Frank bleiben verschwunden!«
»Ich fürchte …« Mitchener warf einen Seitenblick auf Leila. Ihr schmales schönes Gesicht war wie gemeißelt.
»Ich wage es nicht auszusprechen, Harris«, flüsterte der Professor.
An diesem Abend – man war zum Lager zurückgekehrt – war aus Kairo ein prunkvoller Sarg gekommen, und Salimah lag wie eine Königin aufgebahrt in der Bibliothek von Sulimans Palast – fast unsichtbar unter einem Meer von Blumen.
Leila aber ging hinüber zu den Arbeiterbaracken und ließ Toc-Toc hinausrufen.
»Ich brauche dich, Mahdi ibn Kebir«, sagte sie. »Ich weiß, daß du in die Vergangenheit blicken kannst. Hilf mir, den Doktor zu suchen …«
»Ich habe es schon versucht, Miss Leila.« Toc-Toc machte ein trauriges Gesicht. »Es ist zu nah. Wäre es vor tausend Jahren passiert …«
»Versuche es noch einmal! Bitte, Mahdi …«
»Es ist wie eine Wand vor mir. Ich komme nicht hindurch …«
»Der Doktor lebt! Ich fühle es! Noch lebt er …«
»Es geht nicht.« Toc-Toc preßte die Fäuste gegeneinander. »Ich habe Allah angefleht … er schickt mir keine Kraft.«
»Dann muß der Doktor sterben«, sagte Leila.
Ihre Stimme hatte gezittert. Sie drehte sich um und ging langsam, den Kopf tief gesenkt, davon.
Toc-Toc blickte ihr nach, bis sie hinter dem Laborzelt verschwunden war. Dann wandte er sich ab und sah hinüber zu der Stufenpyramide. Der Mondschein lag wieder wie eine bleierne Haube über der oberen Plattform.
»Allah!« sagte Toc-Toc leise und kreuzte die Arme vor seiner Brust. »Allah, laß mich nicht allein …«
Dr. Abdullah hatte hinter dem Zelt auf seine Tochter gewartet. Er war ihr nachgeschlichen, um sofort einzugreifen, wenn sie auf eigene Faust etwas Tollkühnes unternehmen würde. Jetzt blieb sie stehen und sah ihren Vater aus traurigen Augen an.
»Wenn er nicht wiederkommt, sterbe ich«, sagte sie leise.
Dr. Abdullah zog fröstelnd die Schultern hoch. Er wußte, daß ein Mensch aus Trauer sterben kann. Er hatte es ein paarmal erlebt … in Ägypten, in Arabien und in Indien: Das rätselhafte Auslöschen eines Menschen, der nicht mehr
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