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Die Schöne vom Nil

Die Schöne vom Nil

Titel: Die Schöne vom Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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leben will. Sie hatten sich in stille Ecken gesetzt, an den Nil oder an den Ganges, hatten mit leeren Blicken in eine unbekannte Weite gestarrt und waren so, unmerklich und schmerzlos, hinübergeglitten ins große Vergessen.
    »Was sagt Toc-Toc?« fragte er.
    »Er kann nicht helfen …«
    Sie lehnte sich an ihren Vater, barg das Gesicht an seiner Schulter und weinte.
    Niemand hielt Toc-Toc auf, als er gegen Mitternacht langsam zum Grab des Menesptah humpelte und sich dort neben dem Eingang niedersetzte. Da man den gesamten Bezirk abgesperrt hatte und Militärstreifen mit Hunden rund um Sakkara patrouillierten, hielt man es nicht für nötig, das Grab gesondert zu bewachen.
    Das war ein Fehler, der es Suliman gestattete, zuerst Luisa und später Dr. Herburg in die Grabkammer zu schaffen. Nach zwei, drei Tagen ohne besondere Vorkommnisse würde die Aufmerksamkeit sowieso nachlassen und die Truppen vielleicht reduziert werden …
    Das würde dann das Zeichen zum Beginn des Abtransportes der Haschischsäcke und Kokainbüchsen zum Nil sein, zur Verladung auf eine alte, unauffällige arabische Dhau, einen breiten flachen Kahn mit großen Segeln.
    Die Dhau war das Fotoobjekt von Hunderttausenden von Touristen, ein Überbleibsel aus vergangenen romantischen Zeiten. Als der Nil noch die Haupthandelsstraße Ägyptens war und es keinen Suezkanal gab. Kein Polizeiboot würde diese alten Dhaus kontrollieren – sie waren Museumsstücke wie Pharaonenmumien im Altägyptischen Institut.
    Sorgfältig breitete Toc-Toc seinen kleinen Gebetsteppich auf dem Geröllboden aus, zog seine Sandalen aus, wetzte die Füße an einem großen Stein ab, was – in Ermangelung von Wasser – als Waschung anerkannt wurde, und ließ sich dann, auf einem Bein kniend, auf den Erdboden nieder.
    Er starrte hinüber zu dem im Mondlicht gewaltig emporstrebenden Pyramidenbau des Djoser, verneigte sich nach Osten und blieb, die Stirn auf den Gebetsteppich gedrückt, in dieser gekrümmten Lage sitzen – die Hände flach auf dem Boden.
    Es war, als sei er so versteinert worden. Nichts an ihm bewegte sich, kein Muskel, kein Zucken der Haut, nicht einmal das Atmen war noch sichtbar. Die Augen hatte er geschlossen, der Mund aber stand halb offen … ein erstarrter Körper, den die Seele verlassen zu haben schien.
    Es war niemand da, der die Zeit maß. Aber nach ungefähr einer Stunde regte sich Toc-Toc wieder, richtete sich auf, verneigte sich nach Osten, erhob sich, rollte seinen Gebetsteppich zusammen und ging langsam zurück zu seinem Quartier.
    Dort legte er sich auf sein zusammenklappbares Feldbett und schlief sofort ein.
    Man hat nie erfahren, wie es möglich sein konnte, daß Suliman ibn Hussein am nächsten Tag so unvorsichtig war, allein in seinem Sportwagen zu den Pyramiden von Gizeh zu fahren.
    Sein Sekretär wußte nur, daß er einen Anruf erhalten hatte und daraufhin sehr schnell losgefahren war. Wohin – das habe er nicht gesagt; nur eben, es sei sehr dringend …
    Die Nebenstraße, über die Suliman nach Gizeh fuhr, zog durch ein karges, wüstenhaftes Land. Ein paar grüne Flecken, aus Palmen und Ölbäumen, dort, wo ein kleiner Brunnen war, hellten die trostlose Landschaft kaum auf. Hier gab es keine Fellachensiedlungen mehr. Der Boden war über Jahrtausende hinweg ausgelaugt worden, die Erosion hatte das Land zerstört, ein Netz von künstlicher Bewässerung wäre zu teuer gewesen.
    In dieser Einsamkeit, auf halbem Weg zwischen seinem Haus und Gizeh, mußte Suliman bremsen. Ein alter VW versperrte ihm den Weg. Er stand quer über die Straße, mit dem linken Hinterrad in einem tiefen Schlagloch.
    Suliman stieg aus und blickte in den Wagen hinein. Ein fluchender Mann in einer dreckigen Djellabah startete den Motor, gab Gas und wühlte das Hinterrad nur noch tiefer in das Loch.
    Suliman riß die Tür des Wagens auf und lachte. »Das schaffst du nie!« rief er. »Warte, ich ziehe dich raus!«
    Es waren die letzten Worte, die Suliman in der nächsten halben Stunde sagte.
    Der Fremde drehte sich nämlich zu ihm um, und während er etwas – in der Sonne blitzend – durch die heiße Luft fliegen sah, erkannte Suliman in dem Fahrer Mahdi ibn Kebir, genannt Toc-Toc.
    Der Schlag war hart. Mit einem dumpfen Ächzen fiel Suliman in die Knie, seine Stirn krachte gegen das Türblech des Wagens, dann rollte er zur Seite in den Straßenstaub.
    Als er erwachte, konnte er sich nicht rühren. Und so schnell, wie er das merkte, so schnell überfiel ihn die

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