Die Schöne vom Nil
immer wieder den Kopf.
»Das ist völlig unglaubhaft!«
In Ägypten gab es seit gestern kein anderes Gesprächsthema mehr als die Vorgänge in und um Sakkara. Der dreiste Überfall auf der Nilstraße, die Entführung des Archäologen Dr. Herburg, der Mord an Salimah, der schönen Geliebten Suliman ibn Husseins, das Schweigen um das Verschwinden der Toxikologin Dr. Alius …
Und nun kam noch dieses hinzu! Ibn Khadar konnte es nicht glauben.
Denn Leila stand in dem Raum und rief immer wieder: »Man hat ihn im Grab eingemauert! Harris, so helfen Sie uns doch! Auch Dr. Alius wird dort sein …«
»Wir verlangen, daß sofort eine großangelegte Suchaktion in der gesamten Grabanlage beginnt!« Dr. Pernam hieb plötzlich mit der Faust auf den Tisch. »Mr. ibn Khadar, ich mache Sie persönlich dafür verantwortlich, wenn Dr. Alius und Dr. Herburg zu spät entdeckt werden!«
»Woher will sie denn das wissen?« rief der Geheimdienstchef zurück und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Leila. »Solange sie uns nicht sagen kann, woher ihr Wissen stammt, wird keine Schaufel angerührt.«
»Es ist doch ganz gleichgültig, woher ich es weiß!« Leila war der Verzweiflung nahe. »Ich weiß es …«
»Wenn Sie so sicher sind, dann frage ich Sie, Miss Leila: Wer ist Ihr Informant? Denn hinter diesem Informanten verbergen sich die Mörder!«
Verzweifelt drehte sich Leila um. Sie sah ihren Vater an, dann Toc-Toc, der an der Barackenwand stand und den Kopf gesenkt hielt.
»Ich … ich habe es gesehen …«, sagte Toc-Toc langsam und laut, so daß alle ihn verstanden. Er hob den Kopf.
»Gesehen?« brüllte der aufgebrachte Khadar. »Du warst dabei, du Schuft?«
»Nein!«
Professor Mitchener war einen Schritt vorgetreten und hatte sich vor Toc-Toc gestellt, der zu zittern begann. »Nein! Mahdi ibn Kebir hat die göttliche Gabe, Vergangenes zu sehen und noch einmal zu erleben. Er kann im Trancezustand Jahrtausende überbrücken. Er hat auch, als wir schon alle Hoffnung aufgegeben hatten, das Grab des Menesptah im Trancezustand gesehen. Nach seinen Angaben haben wir es gefunden! Wenn das kein Beweis ist …«
»Bei Allah!« Der Chef des Geheimdienstes wischte sich das schwitzende Gesicht ab. »So etwas gibt es doch nicht …«
»Ich flehe Sie an: Glauben Sie ihm …«, rief Leila verzweifelt. »Jede Minute ist wertvoll …«
»Gut … versuchen wir es!«
Abdul ibn Khadar beugte sich über den Plan, den Dr. Pernam nach den Oberflächenvermessungen von der Grabanlage angelegt hatte. Was sich unter diesem großen Bezirk im Innern der Erde verbarg, konnte man nur ahnen.
»Was sagten Sie, Professor? Um dieses Grab zu erforschen, braucht man Monate? Ja, glauben Sie denn, daß die vermeintlich Eingemauerten für Monate Luft haben? Nahrung?«
»Wir werden an zehn Stellen gleichzeitig graben!« rief Dr. Pernam. »Wir werden die Gänge und Wände aufreißen ohne Rücksicht auf fünftausend Jahre Kultur! Mich interessieren keine Wandgemälde und kein Kind-König mit seinen goldenen Fröschen! Es geht um zwei Menschen! Herr Präsident, wir reißen das Grab auseinander, bis wir sie gefunden haben!«
Bereits eine halbe Stunde später fraßen sich vier Bagger rund um das Grab in den Geröllboden.
Der Polizeipräsident hatte aus Kairo einen Krankenwagen angefordert, dazu zwei Ärzte und alle Geräte für vielleicht notwendig werdende Wiederbelebungsmaßnahmen.
Nach einer Stunde landete auch ein Rettungshubschrauber; und von Sakkara, dem nächsten Dorf, wo an einer Straße gearbeitet wurde, konnten noch zwei Raupenbagger abgezogen und in die Totenstadt beordert werden.
Es zeigte sich, daß die Maße des Grabes, die Toc-Toc bei seiner Wanderung in die Vergangenheit gesehen hatte, ziemlich genau waren. Wo die Bagger den Boden aufhoben, stießen sie nach drei Metern, an anderen Stellen erst nach sieben oder gar zehn Metern, auf festen Fels oder – an der Hangseite – auf die aus groben Felssteinen zusammengefügte Mauer.
Von Toc-Toc rasch zusätzlich angeworbene Fellachen, Militär und Polizei gruben sich in die Tiefe. Hubschrauber, die jetzt einschwebten, brachten weitere Experten für altägyptische Gräberkunde mit, an der Spitze der Leiter der Forschungsstelle für Ausgrabungen, Dr. Ibrahim Aschar.
Als die Herren aus Kairo über Sakkara schwebten, sah es unter ihnen aus, als sei ein kleines Ameisenheer damit beschäftigt, sich in den Boden einzugraben.
Dr. Pernam und Mr. Polski drangen mittlerweile über den bisher freigelegten
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