Die schoenen Hyaenen
Titelsong singen zu hören: »The Loveliest Girl in the World.«
Mit einem Blick erkannte Lila, daß die Liegen um den Pool unbesetzt waren. Sie atmete auf. Das Reich gehörte ihr. Kein Schnorrer, kein abgewrackter Ehemaliger. Auch die waren in den letzten Jahren übrigens weniger geworden. Wer Theresa treu blieb, verfiel so wie das Haus. Es bildete sich jedoch eine neue Gruppe um Theresa, die der Filmfreaks. Das waren meist junge, bebrillte Männer, schmalbrüstig, akademisch gebildet und mit seltsamen Themen befaßt wie dem Symbolcharakter der Brüste in den Frank-Tashlin-Komödien um 1950. Diese jungen Leute starrten Lila an und zollten ihrer Mutter tiefe Verehrung. Viel half ihnen das nicht. Theresas Lieblingsbeschäftigung war es, in ihrem Vorführraum zu sitzen und sich ihre alten Filme anzusehen. Sie konnte nie genug davon bekommen. Besonders nicht von dem Film Birth of a Star , denn mit diesem Film war sie berühmt geworden.
Kevin gehörte zu den Ausnahmen in Theresas Bekanntenkreis. Ursprünglich hatte er nur ein Interview mit ihr machen wollen. Doch dann wurde er auf Lila aufmerksam und blieb, um mit ihr zu reden. Er arbeitete an seiner Diplomarbeit über die Filmindustrie an der UCLA, der kalifornischen Universität von Los Angeles — ein sagenhaft gutaussehender Mann, sonnengebräunt und durchtrainiert. Er stammte aus dem Osten und beeindruckte Lila mit seiner Belesenheit und seiner Gabe, eine anregende Unterhaltung zu führen. Seit Lila ihr Internat in Westlake vorzeitig verlassen hatte, langweilte sie sich.
Kevin kümmerte sich um Lila. Er spielte Tennis mit ihr, sie joggten zusammen. Er fuhr mit ihr zur Long Beach Marina, und sie segelten nach Catalina. Alles Unternehmungen, für die Lilas Mutter zu alt oder zu betrunken war. Kevin behandelte Theresa höflich, hörte sich aber geduldig Lilas Klagen über die Mutter an und stimmte Lila zu. Manchmal legte er den Arm um Lilas Schultern. Mehr nicht.
Das fand sie gut. Kevin war größer als sie. Die anderen reichten ihr meist nur bis zur Schulter. Er war auch sportlicher, und es fühlte sich ganz gut an, so locker in den Arm genommen zu werden. Mehr wollte Lila gar nicht, und mehr verlangte Kevin auch nicht.
Doch als Theresa dann mit ihrem Plan herausrückte, die beiden zu verheiraten, wurde Lila wütend. Sie betrachtete Kevin als ihren ganz persönlichen Geheimtip. Außerdem war sie erst siebzehn. Zu jung zum Heiraten. Und was ging das die Puppenmutter überhaupt an? Lila fand es peinlich. Denn Kevin hatte von sich aus nie von Heirat gesprochen. Ohne Lila auch nur ein Wort davon zu sagen, arrangierte ihre Mutter die Sache mit Kevin — das glaubte sie zumindest.
Theresa wählte für den großen Empfang ein Datum, das am Ende einer Reihe von Filmproduktionen lag und so eine Lücke füllte. Das würde ihr den größtmöglichen Zulauf bescheren. Natürlich bestellte sie den Partyservice, den auch Jack Wagners Frau immer nahm. Theresa zermarterte sich den Kopf, wem sie als Zeremonienmeister den Vorzug geben sollte: McMahon oder Pat Sajak. Aus all dem schloß Lila, daß Theresa ein neues Comeback plante.
Eine Heirat mit Kevin bedeutete für Lila ein Entkommen aus diesem Mausoleum. Lila wußte nicht, wo Kevin sich momentan aufhielt. Sie vermutete ihn auf dem Tennisplatz, und das paßte ihr gut. Manchmal mußte sie einfach allein sein. Menschen, auch Kevin, nahmen ihr mitunter die Luft zum Atmen. Die Puppenmutter hatte ihr versprochen, daß Kevin das akzeptierte, auch nach der Heirat akzeptieren würde.
Lila kehrte barfuß in ihr Zimmer zurück, zog sich bis auf den Slip aus und setzte sich in die Sauna. Die dicke Tür verschaffte ihr ein Gefühl von Sicherheit. Schweiß bildete sich auf ihrem Busen, tropfte herunter. Auf Theresas Wunsch hin nahm Lila seit ihrem zehnten Lebensjahr Hormone. Doch an ihrem sechzehnten Geburtstag schenkte ihr ihre Mutter eine Brustoperation. Jetzt hatte sie perfekte Brüste, rund, nach oben gerichtet. Die kleinen rosa Warzen standen deutlich hervor. Keine Narbenbildung hatte die perfekte Operation beeinträchtigt. Trotzdem wollte Lila ihre Brust nicht von einem anderen berühren lassen. Sie dachte über Kevin und die Ehe nach. Kevin hatte nie ihre Brüste gedrückt, es nicht einmal versucht. Auch sonst nichts. So fühlte sie sich mitunter von ihm besser verstanden als sie sich selbst verstand.
Tatsächlich wünschte Lila sich nichts sehnlicher, als diesem verrücktem Haus, ihrer Mutter und den ewigen Auseinandersetzungen zu
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