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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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denkst du, weil du früher eine perfekte Tochter sein solltest. Aber wir sind nicht auf der Welt, um perfekt zu sein.«
    »Hast du einen Hang zum Pathos?«, fragte sie spontan. Ich überhörte es einfach. »Mein Vater hat einen coolen Trick. Er führt immer allen Bekannten gegenüber folgenden Vergleich an: Er sagt, dass es etwa fünfzehn Prozent Linkshänder in der Bevölkerung gibt. Früher hat man versucht, denen diese Andersartigkeit abzuerziehen. Aber heute ist es ganz normal. In ein paar Jahren wird man das hoffentlich mit den Lesben und Schwulen ebenso halten, denn das sind auch etwa fünfzehn Prozent der Bevölkerung.«
    »Das ist witzig«, sagte sie. »Lena ist nämlich Linkshänderin!«
    ›Auch das noch!‹, dachte ich. Ich stand auf Linkshänderinnen! Ich fand ihre Art, sich beim Schreiben über das Papier zu beugen oder eine Schere oder das Bügeleisen scheinbar spiegelverkehrt zu benutzen, anziehend.
    »Und es sind fünfzehn Prozent? Das ist eigentlich viel, oder?«, überlegte Angela und sah sich um. »Aber sind von den fünfzehn Prozent dann etwa zwölf Prozent Männer? Oder warum sind hier so wenige Frauen?«
    Ich musste schmunzeln. »Du bist hier nun mal in einer Schwulenkneipe. Das ist ein Unterschied. Als ich begann, in die Szene zu gehen, habe ich mir auch zuallererst die Schwulenkneipen rausgepickt und bin nur auf die gemischten Schwofs gegangen. Ich glaube, ich hatte Angst, plötzlich mit so vielen Frauen liebenden Frauen allein zu sein. Ich hatte Angst davor, angesprochen zu werden. Ich hatte vielleicht auch Angst davor, festzustellen, dass ich gar nicht wie sie war. Ich hätte mich ja auch fremd und nicht dazugehörig fühlen können, obwohl ich mir doch nichts sehnlicher wünschte als dazuzugehören.«
    »Genauso ist es. Ich weiß, was du meinst«, sagte sie, und wir starrten eine Weile auf den Tisch vor uns. In unser beider Köpfe ratterte es. Ich konnte es hören. Was hatte sie da gerade gesagt?
    Sie hob den Blick und sah mir in die Augen.
    »Ein sehr schönes Rehbraun«, stellte sie fest. »Ich kannte mal eine Frau, die auch solche Augen hatte. Ist schon eine Weile her. Ich war gerade mal zwanzig. Ungebunden. Jana war am gleichen Theater engagiert, an dem ich auch meine ersten Rollen spielen durfte. Sie war sooo talentiert. Alle lagen ihr zu Füßen. Und rate, welche der Schauspielerinnen sie sich zur Freundin aussuchte?«
    Ich deutete mit dem Finger auf sie, und sie nickte, ein Schimmer von Stolz rieselte ihr geradezu aus dem nach vorn gefallenen Pony.
    »Ich war total begeistert von ihr. Wir verbrachten viel Zeit miteinander. Besonders die Abende, an denen wir keine Vorstellung hatten, waren wunderschön. Wir sind Arm in Arm durch die Stadt gelaufen, ins Kino gegangen und haben uns unsere Stars angeschaut, die den Weg nach oben schon geschafft hatten. Genau der Weg, den wir miteinander gehen wollten, auf der Karriereleiter steil rauf! Also, wenn du mich fragst, war ich damals fast ein bisschen verliebt in sie.«
    »Und was passierte dann?«, drängte ich sie atemlos.
    Angela zuckte mit den Schultern. »Nichts. Ich lernte kurz darauf Volker kennen, und wir heirateten. Jana wechselte an ein anderes Theater. Wir haben uns noch ein paar Mal geschrieben.«
    »Och«, machte ich enttäuscht. »So eine unausgelebte Geschichte! Und die hängt Ihnen immer noch nach, oder?«
    »Ach was, bin nur etwas sentimental geworden. Aber du solltest mich lieber duzen. Oder willst du es dir mit deiner zukünftigen Schwiegermutter verderben?«, unterbrach sie mich. In ihren Worten lag überraschend etwas Bitternis.
    »Oh nein, wirklich nicht!«
    »Lena siezt dich ja auch nicht, oder? Und zwischen euch beiden liegen auch nicht weniger Jahre als zwischen dir und mir …« Diese Feststellung ließ sie für einen denkwürdigen Moment verstummen und in ihr Glas blicken. Sie lächelte, als sie wieder aufsah. Und es war eben jenes freche, kokette Lächeln, das mich bei unserer ersten Begegnung zu der dummen Frage zu ihrem Ehemann verleitet hatte. Diesmal würde ich diesen Fehler nicht machen!, schwor ich mir. Stattdessen sagte ich diesmal gar nichts, sondern genoss den kecken Gesichtsausdruck, der mir gegenüber über dem Tisch schwebte.
    »Ja, ist das nicht komisch, dass zwischen Lena und dir genauso viele Jahre liegen wie zwischen mir und dir?«
    Wir starrten uns einen Augenblick lang wie hypnotisiert an.
    »Zum Totlachen«, sagte ich. Aber keine von uns lachte.

S IEBTES K APITEL
Vorm Beginnen
sich besinnen macht

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