Die schoenen Muetter anderer Toechter
Freunde!«
»Das klingt nach einem ›Aber‹.«
»Wissen Sie, an der Uni haben wir im Frauenraum mal ein Rechenexempel gestartet. Wir haben die Zahlen der Freier hochgerechnet, die in Puffs gehen oder den Straßenstrich in Anspruch nehmen. Demzufolge müsste jeder ungebundene Mann zwischen achtzehn und sechzig siebenmal am Tag Sex mit Prostituierten haben.«
Frau Rose wiegte den Kopf. »Das scheint mir etwas viel.«
»Sie glauben nicht, dass ein Mann das schaffen kann?«
»Ich zweifele dran. Es wäre auf jeden Fall zu teuer für ihn.«
»So ist es. Und wer, glauben Sie, unternimmt also all diese häufigen Besuche in diesen Etablissements und fährt suchend auf der Straße lang?«
Angela Rose schlug mit der flachen Hand auf einen Bierdeckel, als sei es der Alarmknopf in Der große Preis : »Männer, die verheiratet, verlobt oder in festen Beziehungen sind?«
»Richtig!«
»Dafür bekomme ich noch ein Viertel!« Sie winkte dem Goldohrring, der fröhlich heranrauschte und die Bestellung aufnahm. Frau Rose orderte auch zur Ernüchterung, wie sie sagte, eine Gemüsedipplatte und Taccos mit Käsesauce.
»Den Rioja werden Sie brauchen, wenn ich Ihnen noch mehr erzähle«, sagte ich. »Zum Beispiel von den vielen Frauen, von denen ich inzwischen weiß, dass sie missbraucht worden sind. Sexuelle Misshandlung. Prügel. Psychoterror. Ich kann die Frauen, die ich persönlich kenne, an meinen Fingern und Zehen längst nicht mehr zählen. Was glauben Sie, wer das getan hat? Ein einzelner Massentäter? Oder etwa doch Väter, Brüder, Onkel und Nachbarn? Was meinen Sie?«
Angela Rose schwieg.
»Jetzt habe ich Sie geschockt«, stellte ich fest, ohne das recht bedauern zu können.
»Wie können Sie einfach so weiterleben, wenn Sie all das die ganze Zeit vor Augen haben?«, fragte sie ernst.
Eine Antwort darauf wusste ich selber manchmal nicht. Das Gespräch drohte in Bahnen zu geraten, die ich nicht gutheißen konnte. Jedenfalls nicht für einen Abend im ›Yellow‹, an dem ich eigentlich meine Unruhe hatte forttrinken wollen und an dem meine unerwartete Gesellschaft mittlerweile mehr als genug intus hatte.
»Lass uns duzen!«, schlug ich vor. Sie blickte etwas verwundert. »Ich weiß, eigentlich ist es Sache der Älteren, das Du anzubieten. Aber …« Sollte ich ihr erklären, dass mir das förmliche ›Sie‹ plötzlich viel zu distanziert erschien für das, worüber wir jetzt bereits geredet hatten?
»Aber hier ist ja auch alles andersrum!«, vollendete sie meinen Satz und hob ihr Weinglas hoch. »Angela«, sagte sie.
»Michelin«, antwortete ich und hob mein Sider. Ehe ich mich versah, hatte Angela ihren Arm um meinen geschlungen und ihr Glas an den Lippen. Ich trank auch einen Schluck aus meinem. Dann lösten wir uns wieder voneinan-der und sahen uns zögernd an. Eigentlich gehörte jetzt noch ein Kuss dazu, der das Trinken auf die Schwesternschaft besiegeln würde. Ich würde mich bestimmt nicht trauen, ihr einen … Da beugte sie sich kurzentschlossen vor und küsste mich auf den Mund. Ihre Lippen berührten die meinen, als handele es sich dabei um ein Stück Brot. Falls irgendjemand so verrückt ist, ein Stück Brot zu küssen.
»Angst habe ich vor so was nicht!«, stellte Frau Rose, nein, Angela, klar.
Ich presste meine Lippen aufeinander und konnte es nicht fassen. Lenas Mutter hatte mich soeben geküsst.
Vor vier Wochen kannte ich noch nicht einmal ihre Tochter, und jetzt konnte ich noch den sanften Druck ihres Mundes spüren. Auch wenn es sich angefühlt hatte, als stelle sie sich bei diesem Kuss ein Stück Toast vor …
Nein, momentan konnte ich mich bei den rasanten Entwicklungen in meinen Leben über Langeweile wirklich nicht beklagen. Das Einzige, das mir auf Dauer fehlen würde, war meine Alm. Aber jetzt gerade, in diesem Moment, vermisste ich sie nicht. Ich fühlte mich wohl dort, wo ich war. Ja, ich hätte es gar nicht anders haben wollen.
»Bei all dem Schimpfen über Männer darfst du …«, das Du kam mir nicht leicht über die Lippen. Diese Anrede schlug eine Distanz weg, die wie ein Schutzwall vor mir gestanden hatte. »Also, du darfst dabei nicht vergessen, dass ich nicht deswegen lesbisch bin, weil Männer etwa so schrecklich sind, sondern weil Frauen so wunderbar sind.«
Die Bestellung kam an den Tisch, und Angela griff nach einem Stück Paprika, das sie in die Knoblauchsoße dippte und dann herzhaft krachend abbiss. Kauend sah sie mich gespannt an.
»Ja? Ich warte«, sagte sie
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