Die schoenen Muetter anderer Toechter
warf mich hinein, da sich von hinten die 306 mit beachtlichem Tempo näherte.
»Go!«, rief ich, und Lena schmierte über die rutschigen Gleise zurück auf die Straße.
Wir lachten uns an. Ihre Nase krauste sich. »Willst du nach Hause? Hey, dein Fuß ist wieder okay? Super, dass ich dich hier treffe. Ich wollte dich sowieso sprechen.«
Ich kam bei dem Tempo, das sie heute vorlegte, kaum mit.
»Ja. Ja. Ja? Wieso?«, antwortete ich chronologisch.
»Wieso? Wieso ich dich sprechen will?«, wiederholte Lena mit ungewöhnlich lauter Stimme. »Also, ich war zufällig zu Hause, als Mama gestern Nacht nach Hause kam. Ich habe ihr erst mal einen Kaffee kochen müssen. Sie war … sie war …«
»Stockbesoffen?«, schlug ich vor. »Aber du kannst mir da keinen Vorwurf machen, falls du das vorhast. Sie hatte schon einiges intus, als wir uns trafen, und der Rest war eigentlich eher eine Lappalie. Wie geht es ihr denn heute so?«
»Keine Ahnung, wie es ihr jetzt geht. Heute Morgen musste ich jedenfalls bei ihrer Chefin anrufen und sie krankmelden!«
Das hatte ich nicht anders erwartet. Als mein Wecker heute Morgen schellte, hatte ich ihn mit einem »handfesten« Argument gleich zum Schweigen gebracht. Frauke kam die letzten Tage aufgrund störrischen Bockens sowieso nicht ins Büro, und so fiel mein Schwänzen gar nicht auf.
Das Ausschlafen hatte bei mir ausgereicht, um den Nebel in meinem Kopf aufzulösen. Allerdings hatte ich gestern Abend nicht mal ein Viertel von dem zu mir genommen, was Angela an Alkohol konsumiert hatte.
Lena musste an einer Kreuzung halten und sah mich eindringlich an.
»Michelin, ich mach mir wirklich Sorgen. Das hat sie noch nie gemacht. Vielleicht ist das alles zu viel für sie, die Scheidung, mein Auszug aus der Wohnung?! Sie hat einen Hang zum Dramatischen.«
Ich lachte und versuchte ihre Bedenken mit einer Handbewegung wegzuwischen. »Gestern Abend hatte sie wohl einfach nur einen Hang zum Wein. Manchmal vergisst du im Überschwang der Ereignisse, dass es auch noch einen Morgen danach gibt.«
»Ich glaube, irgendwas geht da vor. Irgendwas, das ich nicht wissen soll.« Lenas Stimme klang dramatisch, und sie sah mich dabei bohrend an.
Sofort empfand ich eine Spur von Beklemmung. Sollte ich ihr vielleicht besser sagen, was ich Angela betreffend vermutete? Aber wie sollte ich das formulieren? Sollte ich ihr einfach sagen: ›Lena, hast du schon mal daran gedacht, dass deine Mutter auch Interesse an Frauen …?‹
»Weißt du zufällig, was ich meine?«, forschte Lena da fatalerweise auch schon weiter.
Ich stammelte etwas von Angelas Selbstfindung nach der Trennung und kam mir selbst nicht recht überzeugend vor.
Lenas Augen sprangen wie Pingpongbälle von meinem Gesicht auf die Straße und zurück.
»Ich bin total fix und fertig, weißt du. Meine Mutter will mir nämlich nicht sagen, über was ihr euch gestern so wichtig unterhalten habt. Ich kann mir aber vorstellen, was sie so alles zu meckern haben könnte über mich. Aber muss sie das ausgerechnet an deine Adresse tun? Wenn du so alt wärst wie ich, dann käme sie doch nie auf die Idee. Aber das Einzige, das ich gestern Abend noch aus ihr rausbekommen habe, war: ›Mit Michelin kannich redn wie mit meinesgleichn!‹« Lena lallte bei dieser Nachahmung ihrer Mutter und warf mir einen Seitenblick zu. »Ihresgleichen! Ja, da guckst du! Dachte ich mir, dass du so guckst. Ich meine, meine Mutter ist meine Mutter, eine ganz andere Generation, und ich bin ich. Da liegen doch Welten zwischen! Ich sage ihr, dass ich es gemein finde, wenn sie jetzt anfängt, irgendwelche Komplotte mit meinen Freundinnen zu schmieden, aber sie schweigt nur. Das macht mich echt rasend.«
»Sie meint’s bestimmt nicht so«, meinte ich leichthin. Mein Herz schlug einen ungewöhnlichen Takt. Angela und ich, gemeinsam in einem Komplott gegen Lena? Ich kam ein wenig außer Atem. »Vielleicht möchte sie es dir später mal in Ruhe sagen, nicht mit brummendem Schädel?«
»Tja, oder vielleicht denkt sie auch, es geht mich einfach nichts an?«
Ich versuchte, sie zu besänftigen. »Das glaube ich zwar nicht, aber selbst wenn, wäre es zumindest ihr gutes Recht. Töchter wollen nicht ständig bemuttert werden. Aber Mütter auch nicht ständig betöchtert.«
Lena warf mir einen empörten Seitenblick zu. »Deshalb bin ich jetzt durch die halbe Stadt gefahren? Du willst mir auch nicht sagen, worüber ihr geredet habt?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Ich könnte es
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