Die schoenen Muetter anderer Toechter
Architektur, im gleichen Studiengang wie Lena. Die beiden kennen sich aus ihrem Abi-Jahrgang. Als die einzigen Lesben unter hundertvierzig Abiturientinnen fühlten sie sich wohl verbunden«, erzählte ich. »Die beiden gehen erst seit einem Jahr in die Szene, und erst in letzter Zeit etwas regelmäßiger, weil sie jetzt beide solo sind.«
Wieder biss ich mir mit meinen eigenen Worten in die Eingeweide. Aber ich wollte verdammt noch mal ehrlich zu mir sein. Und wenn ich ehrlich war, dann war mir klar, dass Lena sich gewiss ›solo‹ fühlte, auch nach dem, was gestern Abend geschehen war.
Jackie schnalzte mit der Zunge.
»Hm. Kennst du noch Ingrid, diese niedliche Rothaarige, die früher immer die karierten Röcke trug?«, fragte sie.
»Klar kenn ich Ingrid noch. Wir haben früher im Café öfter mal Karten gespielt. Ist sie nicht Teilhaberin an der Computerfirma, die ihr schwuler Bruder aufgemacht hat?«
»Nicht nur das. Sie ist außerdem die neue Freundin von Iris, schon seit ein paar Monaten.«
Ich unterdrückte mühsam einen erstaunten Ausruf, was Jackie befriedigt registrierte. Ingrid war für mich immer eine Sympathieträgerin gewesen. Um sie gab es nie Szenegetuschel, keine Beziehungsdramen und keine Intrigen. Und diese nette Frau, die zudem auch noch verteufelt gut aussah, war nun zusammen mit diesem Biest von Iris, dieser schlangenzüngigen, widerwärtigen …?
Jackie fuhr nach ein paar Sekunden, in denen sie meine Überraschung bestmöglichst ausgekostet hatte, fort: »Die beiden sind ziemlich glücklich miteinander, so wie es scheint. Kein Wunder, Ingrid ist die erste Cheerleaderin des Teams. Stell dir das bloß mal vor: geteilte Sportbegeisterung, die verbindet, ohne dass Konkurrenz entstehen kann, weil beide ja was Unterschiedliches machen. Und dann: trainingsgestählte Körper, die gierig aufeinanderprallen …«
»Ja, ja, ich kenne deine Visionen von der Idealbeziehung zwischen zwei Sportskanonen. Was willst du mir mit dem allem sagen?«
»Will sagen«, begann Jackie und machte eine kleine Pause, um an einem Getränk zu schlürfen, »dass die Damen ziemlich verliebt sind. Und Ingrid scheint einen positiven Einfluss auf Iris zu haben. Seit Monaten gibt es keinen Stress mehr in der Handballmannschaft, hat Gudrun erzählt. Außerdem ist Iris nicht nur bei dir aufgetaucht, um reinen Tisch zu machen. Weißt du noch, dass sie Elke damals ziemlich listig aus der Mannschaft rausgemobbt hat?«
»Sag bloß, sie hat da auch um Versöhnung gebeten?«
»Könnte man so sehen. Und Ellen hat mir erzählt, dass Iris auch sie um ein klärendes Gespräch gebeten hat.«
»Warum weiß ich nichts davon? Wann hat Ellen dir das erzählt?«
Hier stockte Jackie. »Ich hab sie gestern zufällig auf der Straße getroffen.«
Hatte sie das bei ihrer letzten Begegnung mit Ellen nicht auch schon gesagt? Die beiden schienen sich recht häufig zufällig irgendwo zu treffen.
»Ich habe gestern auch jemanden auf der Straße getroffen«, erwiderte ich bedeutungsschwanger.
»Wen?«, hechelte Jackie.
»Erzähl ich dir dann später. Du wolltest doch sowieso noch mit mir reden, oder?«
»Ehm … tja, ja, eigentlich schon. Aber gib mir doch einen Anhaltspunkt! Hast du etwa heute Nacht Besuch gehabt?«
»Du mit deiner blöden Hellseherei!«, brummte ich, seltsam berührt, dass sie es erraten hatte.
»Ihr habt es getan?«, fragte Jackie, schon halb lachend.
»Ja, haben wir. Aber vielleicht ist das alles ganz anders als …«
»Irre!«, kreischte Jackie am anderen Ende der Leitung los. »Ich hab es im Urin gehabt! Ich wusste es, ich wusste es! Wie war es? Los! Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!«
Ich hätte mir gewünscht, Jackies Enthusiasmus noch teilen zu können. Doch leider fühlte ich mich momentan nicht mehr dementsprechend.
»Ich erzähl es dir ein anderes Mal, okay? Wir müssen hier noch etwas brüten, wie wir Nancy am besten überführen können. Auch wenn ihr euch von Iris’ Sühnetour einwickeln lasst, ich bin sicher, dass die beiden irgendwie unter einer Decke stecken.«
Jackie grunzte. »Das hättest du gerne, Michelin. Aber das ist ein Unterschied!«
»Wir werden sehen. Dann bis bald.«
»Ich kann’s kaum erwarten!«
Der Hörer fiel auf die Gabel. Frauke sah mich stumm an.
Ich hätte wetten können, dass sie an unsere Auseinandersetzung dachte. Dieser ganze Lesbenszene-Klüngel ging ja sogar mir auf die Nerven. Wie musste sie das erst empfinden?
»Ist ja interessant«, sagte Frauke und
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