Die schoenen Muetter anderer Toechter
gebrauchen, wenn ich klar bei Verstand sein wollte. Hier ging es nicht nur um mich, sondern auch um Frederikes Manuskript. Also verbot ich mir der Einfachheit halber jedes weitere Nachdenken über Lena.
Dass ich unten auf der Straße noch einen kleinen Abstecher in den Blumenladen an der Ecke machte, schrieb ich unter ›manischen Handlungen‹ ab.
Schließlich im Auto sank mein Mut mit jeder Kreuzung, die mich der Herzoginnenstraße näher brachte.
Als ich mit Lena ins Bett gesunken war, hatte ich mich so nah am Ziel meiner Träume gewähnt. Aber nun waren die zusammengeschmolzen auf die Greifbarkeit einer Fata Morgana. Ich hatte keine Ahnung mehr, was ich mir wünschte. Und Lenas Träume, die waren mir ganz und gar verschlossen.
Auf mein Klingeln hin wurde gleich der Türdrücker betätigt, und ich schritt mit betont würdiger Geschwindigkeit die Stufen hinauf.
In der Tür stand Angela.
Sie lächelte matt, als sie mich auf der Treppe auftauchen sah. Ihr Gesicht sah müde aus.
Ich schwenkte den duftigen Strauß Blumen vor meiner Nase.
»Hi. Na, dachtest du, dass wir uns heute noch sehen?«
»Erfreulicher Besuch!«
Wie zwei Erstklässlerinnen standen wir auf dem Treppenabsatz voreinander und sahen jeweils knapp aneinander vorbei. Das erst vor wenigen Stunden geführte Telefonat hing in der Luft zwischen uns wie ein Witz mit schlechter Pointe: Sollten wir lachen oder ihn übersehen?
»Tja, Lena da?«, fragte ich kurzentschlossen und hatte prompt das Gefühl, mit der Tür ins Haus gefallen zu sein, denn ihre Miene wurde sogleich wieder förmlich.
»Nicht mehr«, antwortete sie. »Die beiden sind vor zehn Minuten wieder weg. Angeblich in die Bibliothek.«
Über ihr strenges ›angeblich‹ hätte ich fast gelacht. Eine mit Scham gepaarte Erleichterung machte sich plötzlich in mir breit. Sie war fort. Sie war nicht mehr da. Ich musste mich nicht mit ihr und Nancy per Small Talk unterhalten, mit gymnastischen Denkübungen zwischen Detektivarbeit und sentimentalen Anfällen.
»Gib her! Ich werde die Blumen für Lena ins Wasser stellen«, sagte Angela, während sie mich mit einer Handbewegung hereinbat und die Tür hinter mir schloss.
»Die sind für dich«, hörte ich mich sagen. Keinen blanken Schimmer, ob das ursprünglich schon so gewesen war. Ich hatte die Blumen einfach auf dem Weg zur Herzoginnenstraße gekauft. Doch jetzt schien es mir mehr als recht, dass sie ihr gehörten. Sie passten zueinander, sie und diese Blumen.
»Mhm. Ich liebe Fresien!« Sie steckte ihr Gesicht in die weißen und gelben Blüten und sog den Duft ein. »Und keine einzige Rose dabei. Weißt du, wie ermüdend es ist, einen solchen Nachnamen zu tragen und dann lebenslang von jedem Besucher Rosen geschenkt zu bekommen? Und das Schlimmste ist: Jeder denkt, er sei damit unheimlich originell.«
Ich musste lachen. »Frag mich mal, wie es mich antörnt, wenn Leute in meiner Gegenwart etwas von heißen Reifen erzählen.«
Angela brach in ein lautes, volltönendes Lachen aus.
»Darauf wäre ich ja nie gekommen. Wie hohlköpfig!«, gluckste sie hinter vorgehaltener Hand.
Ich erschrak ein bisschen. Gut, ich würde ihr lieber nicht erzählen, dass Lena auch ›darauf gekommen‹ war …
Angela wählte sehr sorgfältig eine hübsche Vase aus und temperierte das Wasser an ihrem Handgelenk.
»Ich habe schon lange keine Blumen mehr geschenkt bekommen«, erzählte sie, während sie konzentriert den Strauß arrangierte. Ob das wirklich stimmte? So liebevoll wie sie jede einzelne Blüte ordnete, wäre das ein echter Jammer. Sie sollte eigentlich nichts anderes tun, als Blumen geschenkt bekommen und dann arrangieren. »Früher, na ja, viel früher hat Volker mir hin und wieder mal ein paar mitgebracht. Aber das wurde mit den Jahren immer mickriger. Geldverschwendung, meinte er. Die Dinger ständen eine Woche hübsch auf dem Tisch, und dann würfe ich sie weg. Kannst du dir vorstellen, wie ich reagiert habe, als ich letzte Woche einen dicken Strauß per Boten von ihm bekam?«
»Du hast die Blumen zurückgeschickt?«, antwortete ich, ohne rot zu werden. Genau davon hatte Lena mir ja so empört berichtet. Allerdings ohne diese Vorgeschichte dazu zu erzählen.
Angela sah mich erstaunt an, lachte dann aber. Sie sah plötzlich entspannt und fröhlich aus. Ganz anders als gerade noch auf der Treppe. »Das ist wohl das Erste, das einem einfällt, oder? Aber bin ich deswegen einfältig?«
Das war eine rhetorische Frage. Sie kannte natürlich die
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