Die schoenen Muetter anderer Toechter
Liaison erfuhr und ihn auf frischer Tat ertappte, war gewiss ein Schock für ihn gewesen. Die Welt war für ihn untergegangen, als sie ihm prompt die Koffer vor die Tür stellte. Und nun wollte er alle Hebel in Bewegung setzen, um ungeschehen zu machen, was er selbst verbockt hatte.
Ich betrachtete ihn skeptisch. Angela hatte recht gehabt mit ihrer Beschreibung. Er sah wirklich außergewöhnlich gut aus für einen Mann seines Alters. Seine dunklen Haare wellten sich perfekt am wohlgeformten Schädel, seine Augen blitzten unternehmungslustig, und seine Körperhaltung sprach von Selbstbewusstsein. Er besaß noch nicht mal einen Bauchansatz. Doch egal, wie gut aussehend und charmant er war, eine Frau wie Angela zu betrügen, war eine unverzeihliche Sünde. Ich gönnte ihm keine zweite Chance.
»Michelin?«, Ellen tippte mich an die Schulter und sah mich besorgt an.
»Wie?« Ich tauchte nur langsam aus dem Wust der mich beherrschenden Bilder wieder auf.
»Es hat geklingelt!«
»Oh!« Bevor irgendjemand mir zuvorkommen konnte, hastete ich zur Tür, betätigte den Türsummer und schaltete bereits das Flurlicht ein. Ich hielt die Tür weit geöffnet und wappnete mich. Allerdings hätte ich wissen müssen, dass kein Waffenschild der Welt mich hätte schützen können.
Als Angela vor mir auf der Treppe erschien, musste ich schlucken. Unsere letzte Begegnung lag mehr als drei Wochen zurück. Drei Wochen, in denen ich ihr Gesicht mühelos erinnern konnte, ihre Gestalt und ihre Stimme mir so präsent waren, als träfen wir uns täglich. Schon allein diese mühelose Vorstellung von ihr in meinem Kopf war so entsetzlich klar und überzeugend. Doch als ich sie jetzt leibhaftig vor mir sah, geriet mein Atemsystem aus dem Rhythmus. Ich vergaß, einzuatmen, und als ich diese Funktion wieder im Griff hatte, vergaß ich auszuatmen. Viel zu schnell war sie bei mir, in ihrem schneeweißen Sommerkleid, das um ihre Hüften herum bei jedem Schritt glockig schwang. Ich registrierte ihre sorgfältig hergerichtete Frisur und den dezenten Lippenstift. Ja, ich sah sie an wie ein atemberaubend schönes Gemälde, doch ich konnte ihr nicht in die Augen schauen. Die suchten sich beständig ein anderes Ziel, nur nicht meinen Blick.
»Schön, dass du da bist«, sagte ich wie einstudiert und reichte ihr die Hand. Sie zögerte einen Moment. Und im nächsten Augenblick kam von der Seite Lena durch den Flur herangeflogen und hing an ihrem Hals.
Sie beide brauchten ein paar Sekunden, um sich von dieser irgendwie unangebrachten Begrüßung zu erholen. Ich verstaute meine verschmähte Hand in der Hosentasche und bat zu Tisch.
Lena hatte es sich nicht nehmen lassen, Tischkärtchen zu beschriften, um die sorgfältig ausgeklügelte Sitzordnung zu wahren. Damit Angela nicht den Eindruck gewinnen könnte, Ehrengästin zu sein, hatte Lena sich selbst und mich an den beiden Kopfenden des Tisches platziert. Rechts von mir saßen Frederike und Karolin. Neben Karolin Volker, auf den Ellen, Nancy und Jackie folgten. Auf meiner linken Seite, hatte Lena Fraukes und Lothars Platzkärtchen aufgestellt. Neben Lothar, also genau dem Ex-Mann gegenüber, sollte Angela sitzen. Es folgten Ulli und Jan.
Leider war ich von meinen eigenen Befürchtungen diesen Abend betreffend so okkupiert gewesen, dass ich mir bezüglich der Sitzordnung keinerlei Gedanken gemacht hatte. Und so schien Nancy nun für unser DetektivInnen-Quartett unerreichbar. Doch in dem Augenblick, in dem wir alle unsere Stühle in Besitz nehmen wollten, hatte Lothar die rettende Eingebung und protestierte lautstark: »Immer diese Pärchenkonstellationen. Frauke hat gesagt, ich hätte heute endlich mal wieder Gelegenheit zu einem langen Plausch mit Ellen. Quer über den Tisch geht das ja wohl nicht.«
Alle schauten einen Moment konsterniert, als sei es ihre Schuld, diesen Missstand fabriziert zu haben. Dann säuselte Frauke: »Wenn Nancy nichts dagegen hat, könntet ihr ja die Plätze tauschen?«
Nancy löste sich offensichtlich nur höchst ungern von Jackies Seite, wechselte jedoch brav den Platz mit Lothar und saß nun sowohl neben Frauke als auch Frederike und Karolin genau gegenüber. Jackie war auch nicht ganz einverstanden mit diesem Tausch. Sie sah enttäuscht vom anderen Ende des langen Tisches herüber. Aber weniger, weil sie Nancys Gegenwart verlor. Vielmehr hatte sie erkannte, dass sie wohl, so fernab, nicht allzu viel mitbekommen würde von der spannenden Befragung.
Wir nippten an unseren
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