Die schoenen Muetter anderer Toechter
mich diese prekäre Situation genoss. Ich konnte mir vorstellen, wie sie, von der Klatschsucht getrieben, auch in vierzig Jahren noch über den Zaun zum Nachbargrundstück hing und mit der Nachbarslesbe neue Geschichten austauschte. Dieses Bild vor meinem geistigen Auge ließ mich zum ersten Mal an diesem Abend entspannt lächeln. Ich ertappte mich regelrecht dabei und wurde wehmütig. Derlei friedliche Bilder waren es, die ich seit einiger Zeit so schmerzlich vermisste. In meinem Kopf schien kein Platz mehr für etwas anderes zu sein als Sehnsucht, Zweifel und Reue. Hätte ich mich doch bloß nicht so schnell auf Lena eingelassen. Hätte ich doch noch wenigstens einige wenige Tage gewartet. Hätte ich doch Ruhe bewahren können, statt loszugehen wie eine Rakete.
Es gab zur Zeit zu viele »hätte ich doch« in meinem Leben. Da war es schwer, im Einklang mit mir selber zu leben. Doch es sollte noch schwerer werden.
Nach und nach trudelten die Gäste ein. Als Erstes erschienen Ulli und Jan, Lenas schwule Freunde. Die beiden wurden von Lena durch die Wohnung geführt und warfen mit Komplimenten über die Einrichtung um sich. Ich fand sie auf Anhieb sympathisch, aber sie taten mir ein wenig leid. Denn sie hatten keinen blassen Schimmer davon, was heute Abend alles auf dem Spiel stand und waren daher die Einzigen, die sich in aufrichtiger Vorfreude auf einen gemütlichen Abend mit hervorragendem Essen ergingen. Frauke und Lothar kamen zusammen mit Frederike und Karolin an. Alle vier trugen einen verwegenen DetektivInnen-Ausdruck in den ernst blickenden Augen und sprachen nicht viel. Sie waren damit beschäftigt, sich mental auf Nancys Überführung einzustellen. Die ahnungslose Nancy plauderte und plapperte und sonnte sich in der Aufmerksamkeit, die ihr von allen Seiten zuteil wurde. Sie schien gar nicht zu merken, dass um sie herum ein feines Netz aus klebrigen Fäden gesponnen wurde – wohl durchdacht und konzipiert von Marlowe-Frauke.
Und dann war es Zeit für den Auftritt der Hauptfiguren: Lenas Vater, der sich uns allen als Volker vorstellte und mir minutenlang die Hand schüttelte, erschien sehr pünktlich. Er spähte vorsichtig ins Wohnzimmer hinein, und Lena kommentierte leise, aber für mich durchaus unangenehm vernehmbar: »Sie ist natürlich noch nicht da. Hast du was anderes erwartet?«
Volker lächelte dazu jovial und begrüßte alle mit Handschlag. Ulli und Jan blitzten ihn gleichermaßen begeistert mit neckischen Augen charmant an. Dann saßen Lena und er auf dem Sofa und unterhielten sich leise über Lenas Studium und Volkers Arbeit. Ich sorgte für die letzten Arrangements auf dem Tisch, ordnete noch einmal die Blumen und lief zweimal zur Tür, weil ich glaubte, die Klingel gehört zu haben.
Es missbehagte mir, wie Lena neben Volker saß, seinen Arm locker um ihre Schulter, ihre Hand auf seinem Bein. Sie sah für mich plötzlich wie eine Fünfzehnjährige aus. Es war der Eindruck eines symbiotischen Vater-Tochter-Verhältnisses, das mir zeigte, wie klein Lena in mancher Hinsicht noch war. Und Volker? Für ihn schien Lena das zu sein, was gemeinhin unter »Papas Prinzessin« läuft. Ich glaubte nicht, dass er sie wirklich ernst nahm. Er suchte nach einem Abziehbild seiner Superfrau. Und er war furchtbar nervös vor der Begegnung mit seiner Ex-Frau. Ich hätte gern gewusst, wie die Frau gewesen war, mit der er Angela betrogen hatte.
Insgeheim hatte ich mir bereits die ganze Geschichte bis ins Detail ausgedacht: Ich schätzte sie auf zehn Jahre jünger, Marke Bewunderin. Sie hatte ihm das Gefühl vermittelt, ein toller Hecht zu sein. Er war mit ihr ausgegangen. Anfangs Arbeitsbesprechungen im Restaurant um die Ecke. Doch dann war sie von ihrem Freund verlassen worden und hatte Volker ihr Herz ausgeschüttet. Er hatte getröstet, so gut er konnte. Sie hatte mit feucht schimmernden Augen zu ihm aufgeschaut, und in ihm war so etwas wie Beschützerinstinkt erwacht. Er hatte sie in seine Arme ziehen wollen. Und schon bei der nächsten Verabredung war es nicht bei diesem Wunsch geblieben. Und von dieser ersten zarten Umarmung bis zum Weg in ihr weiches französisches Bett war es nur noch ein Katzensprung. Dass der Kater dabei vergessen hatte, dass zu Hause seine Frau auf ihn wartete, war zunächst unbedeutend gewesen. Er hatte diese Geschichte ganz einfach von seiner Familie getrennt betrachtet. Denn selbstverständlich liebte er seine Frau und wollte sie nicht verlassen. Dass sie auf Umwegen von seiner
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