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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Woche.
    Es folgte eine Anschrift in der Madison Avenue und die Anweisung, sich noch am selben Tag um ein Uhr dort einzufinden. Als Gloria ihm über die Schulter schaute, sah sie, wie er unschlüssig auf das Inserat starrte.
    »Warum versuchst du es nicht damit?«, schlug sie vor.
    »Ach – das ist doch nur eine von diesen Schnapsideen.«
    »Vielleicht ja doch nicht. Wenigstens hättest du eine Erfahrung gemacht.«
    Auf ihr Drängen hin begab er sich um ein Uhr zu der angegebenen Adresse, wo er sich inmitten einer dichten Menschenmenge wiederfand, die vor dem Eingang wartete. Sie umfasste Männer aller Art – von einem Laufburschen, der offensichtlich seine Arbeitszeit missbrauchte, bis zu einem steinalten Individuum mit knorrigem Körper und knorrigem Spazierstock. Einige der Männer waren verwahrlost, mit eingefallenen Wangen und geschwollenen [489] roten Augen – andere waren jung, womöglich noch auf der Highschool. Nach fünfzehn Minuten des Gedrängels, in denen sie einander mit apathischem Argwohn beäugten, erschien ein fescher junger Hirte, angetan mit einem taillierten Anzug und mit dem Gebaren eines Hilfspfarrers. Dieser trieb sie nach oben in einen großen Saal, der einem Klassenzimmer ähnelte und unzählige Schreibpulte enthielt. Hier setzte sich der werdende Vertreter hin – und wartete aufs Neue. Nach einer Weile wurde das Podium am vorderen Ende des Saals von einem halben Dutzend nüchterner, aber spritziger Männer verdunkelt, die sich, mit einer Ausnahme, in einem Halbkreis zum Publikum hin auf Stühlen niederließen.
    Die Ausnahme war jener Mann, der am nüchternsten, spritzigsten und jüngsten von allen schien und an die Rampe des Podiums vortrat. Das Publikum musterte ihn hoffnungsvoll. Er war recht klein und recht elegant, wobei sein Auftreten eher kaufmännischer als schauspielerischer Natur war. Er hatte gerade, aber buschige blonde Brauen und Augen, die fast lächerlich aufrichtig dreinblickten. Als er die Rampe der Bühne erreichte, schien er diese Augen ins Publikum schleudern zu wollen, wobei er gleichzeitig den Arm ausstreckte und zwei Finger spreizte. Während er sich hin und her wiegte, bis er das Gleichgewicht gefunden hatte, breitete sich im Saal erwartungsvolle Stille aus. Der vollkommen selbstsichere junge Mann hatte seine Zuhörer in der Hand, und als er zu sprechen begann, klangen seine Worte fest und wohlgemut nach dem Motto »frisch von der Leber weg«.
    »Männer!«, begann er und pausierte. Das Wort verhallte [490] am anderen Ende des Saales, die Gesichter, die ihn hoffnungsvoll, zynisch, erschöpft anblickten, waren wie gefesselt, wie gebannt. Dreihundert Augenpaare hatten sich leicht nach oben gerichtet. Mit einem gleichmäßigen, uneleganten Redefluss, der Anthony an rollende Bowlingkugeln erinnerte, ließ er seine Rede vom Stapel laufen:
    »An diesem hellen, sonnigen Vormittag habt ihr eure Lieblingszeitung aufgeschlagen und seid auf eine Anzeige gestoßen, die die schlichte, ungeschminkte Feststellung traf, dass auch ihr verkaufen könnt. Mehr stand da nicht – es stand nicht da, ›was‹, es stand nicht da, ›wie‹, es stand nicht da, ›warum‹. Sie traf nur eine einzige Aussage, dass du und du und du « – Deuten mit dem Finger – »verkaufen könnt. Es ist nicht meine Aufgabe, euch zum Erfolg zu verhelfen, denn jeder Mensch wird als Erfolgsmensch geboren, erst er selbst macht aus sich einen Versager; es ist nicht meine Aufgabe, euch beizubringen, wie man redet, denn jeder Mensch ist von Natur aus ein Redner, erst er selbst macht aus sich einen Schweiger; meine Aufgabe ist es, euch eines zu sagen, und zwar so, dass ihr es wisst – euch zu sagen, dass Geld und Wohlstand nur darauf warten, dass ihr, du und du und du, kommt und auf dieses Erbe Anspruch erhebt.«
    In diesem Moment erhob sich hinten im Saal ein Ire von verschlossenem Aussehen von seinem Pult und ging.
    »Der Mann da denkt sich, er sucht lieber im Bierkeller um die Ecke danach (Gelächter). Dort wird er es nicht finden. Früher habe ich dort selbst einmal danach gesucht (Gelächter), aber das war, bevor ich tat, was jeder von euch Männern tun kann, ganz gleich, wie jung oder alt, wie arm [491] oder reich (schwach kräuselndes hämisches Gelächter). Das war, bevor ich – mich selbst fand!
    Ich weiß nicht, ob irgendeinem von euch Männern Herz-Talk ein Begriff ist. Herz-Talk ist ein Büchlein, in dem ich seit fünf Jahren die hauptsächlichen Gründe für Misserfolg und Erfolg eines Menschen

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