Die Schönen und Verdammten
Flieger, die sie durch Tudor Baird kennengelernt hatte, kamen nach New York, um sie zu besuchen, und es fanden sich zwei weitere alte Verehrer ein, die in Camp Dix stationiert waren. Als diese Männer nach Übersee beordert wurden, reichten sie sie gewissermaßen an ihre Freunde weiter. Doch nach einem weiteren ziemlich unangenehmen Erlebnis mit einem potentiellen Captain Collins gab sie, sobald ihr jemand vorgestellt wurde, zu verstehen, er möge sich, was ihren Stand und ihre persönliche Absicht angehe, keinen Illusionen hingeben.
Als der Sommer näher rückte, ging sie wie Anthony dazu über, die Liste gefallener Offiziere zu studieren, und fand eine Art schwermütiges Gefallen daran, wenn sie vom Tod [480] eines Mannes erfuhr, mit dem sie früher einmal einen Kotillon getanzt hatte, oder wenn sie die jüngeren Brüder ehemaliger Freier namentlich identifizierte – als der Vormarsch auf Paris erfolgte, dachte sie, dass die Welt nun endlich ihrem unausweichlichen und wohlverdienten Untergang entgegenstrebe.
Sie wurde siebenundzwanzig. Fast unbeachtet flog ihr Geburtstag vorüber. Jahre vorher hatte sie sich geängstigt, als sie zwanzig, bis zu einem gewissen Grade auch noch, als sie sechsundzwanzig wurde – doch jetzt blickte sie mit ruhiger Billigung in den Spiegel, sah sie doch die britische Frische ihres Teints und ihre alte knabenhaft schlanke Figur.
Sie versuchte, nicht an Anthony zu denken. Es war, als schreibe sie einem Fremden. Ihren Freundinnen erzählte sie, er sei zum Korporal befördert worden, und war verärgert, wenn diese höflich, aber unbeeindruckt davon Kenntnis nahmen. Eines Abends weinte sie, weil er ihr leid tat – wenn er ihr etwas entgegengekommen wäre, so wäre sie, ohne zu zögern, mit dem nächsten Zug zu ihm gefahren – was immer er tat, er musste geistig umhegt werden, und sie hatte das Gefühl, inzwischen sogar dazu in der Lage zu sein. Seit kurzem fühlte sie sich wunderbar wiederbelebt, da er nicht mehr unausgesetzt ihre moralische Kraft in Anspruch nahm. Bevor er aufgebrochen war, hatte sie durch die bloße Verbindung mit ihm dazu geneigt, über ihre verpassten Gelegenheiten nachzugrübeln – jetzt fand sie zu ihrer normalen Geistesverfassung zurück: willensstark, hochmütig, in den Tag hineinlebend. Sie kaufte sich eine Puppe und kleidete sie an; eine Woche lang weinte sie wegen Ethan Frome; in der nächsten schwelgte sie in den Romanen von John [481] Galsworthy, der ihr gefiel, weil er die Kraft hatte, durch die Darstellung eines Frühlings im Dunkeln jene Illusion junger romantischer Liebe wiederzuerschaffen, nach der sich Frauen dauernd verzehren – ob mit Blick nach vorn oder mit Blick zurück.
Im Oktober vermehrten sich Anthonys Briefe, wurden fast verzweifelt – dann rissen sie plötzlich ab. Einen sorgenvollen Monat lang musste sie all ihre Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht auf der Stelle nach Mississippi zu fahren. Schließlich wurde ihr in einem Telegramm mitgeteilt, er habe im Krankenhaus gelegen, in zehn Tagen könne sie ihn in New York erwarten. Wie eine Traumgestalt trat er an jenem Novemberabend quer durch den Ballsaal wieder in ihr Leben ein – und in den langen Stunden, die ihr eine vertraute Freude bescherten, hielt sie ihn dicht an ihrer Brust und nährte eine Illusion des Glücks und der Geborgenheit, von der sie nicht geglaubt hatte, sie würde sie noch einmal erleben.
Die Enttäuschung der Generale
Nach einer Woche wurde Anthonys Regiment zur Entlassung wieder in das Lager in Mississippi verlegt. In den Pullmanwagen schlossen sich die Offiziere in die Abteile ein und tranken den Whisky, den sie in New York gekauft hatten, und auch die Mannschaften in den Waggons betranken sich, so gut sie konnten – jedesmal, wenn der Zug in einem Dorf hielt, taten sie, als wären sie soeben aus Frankreich zurückgekehrt, wo sie das deutsche Heer so gut wie [482] zerschlagen hätten. Da sie alle Feldmützen trugen und behaupteten, nicht genügend Zeit gehabt zu haben, um sich ihre goldenen Dienststreifen annähen zu lassen, zeigten sich die Bauerntölpel der Küste sehr beeindruckt und fragten sie, wie ihnen denn die Schützengräben zugesagt hätten – worauf sie »Junge, Junge!« antworteten, gehörig mit den Zungen schnalzten und die Köpfe schüttelten. Jemand nahm ein Stück Kreide und kritzelte auf die Seitenwände der Waggons: »Wir haben gesiegt – jetzt kehren wir heim«, und die Offiziere lachten und ließen sie gewähren. Ihrer schimpflichen
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