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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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und unwiderstehlichen Sammy Carleton entgegenfieberten. Diesmal setzte Mr. Carleton seine Vitalität und Unwiderstehlichkeit dazu ein, jenes prächtige Spekulationsobjekt näher zu beleuchten – wie man verkauft. Es schien, als bestehe die gebilligte Verkaufsmethode darin, einen Vorschlag zu unterbreiten und dann nicht etwa zu sagen: »Und was ist, wollen Sie nun kaufen?« – das war ganz und gar nicht die rechte Art, o nein, vielmehr bestand sie darin, den Vorschlag zu unterbreiten, bis man seinen Gegner in einen Zustand der Erschöpfung versetzt hatte, und dann den kategorischen Imperativ von sich zu geben: »Schauen Sie! Sie haben meine Zeit in Anspruch genommen. Ich habe Ihnen die Sache erklärt, Sie haben meine Argumente akzeptiert – jetzt will ich von Ihnen nur noch eins wissen: Wie viel Stück wollen Sie?«
    Während Mr. Carleton Behauptung auf Behauptung folgen ließ, begann Anthony allmählich so etwas wie angeekeltes Vertrauen zu ihm zu empfinden. Der Mann schien zu wissen, wovon er sprach. Offensichtlich wohlhabend, war er in die Position aufgestiegen, andere zu unterweisen. Es kam Anthony nicht in den Sinn, dass jemand, der kommerzielle Erfolge erzielt, nur selten weiß, weshalb oder wie, und dass, sollte er denn seinem Erfolg irgendwelche [495] Ursachen zuschreiben, diese im Allgemeinen unzutreffend oder absurd erscheinen, wie im Falle seines Großvaters.
    Anthony fiel auf, dass von den zahlreichen älteren Männern, die auf die ursprüngliche Anzeige reagiert hatten, nur zwei zurückgekehrt waren. Unter den rund dreißig, die am dritten Tag wiederkamen, um sich Mr. Carletons eigentliche Verkaufsinstruktionen anzuhören, war nur noch ein Graukopf zu sehen. Diese dreißig aber waren eifrige Proselyten; mit dem Mund ahmten sie die Bewegungen von Mr. Carletons Mund nach; vor Begeisterung ruckten sie in ihren Sitzen, und wenn er eine Pause machte, sprachen sie miteinander in angespanntem, beifälligem Flüsterton. Von den wenigen Auserwählten freilich, die, in Mr. Carletons Worten, »entschlossen waren, jene Wüsten zu bewässern, welche von Rechts wegen ihnen gehörten«, besaß weniger als ein halbes Dutzend jenes Mindestmaß an persönlichem Erscheinungsbild und die große Gabe eines ›Draufgängers‹. Dennoch wurde ihnen eingetrichtert, sie alle seien von Natur aus Draufgänger – es komme lediglich darauf an, mit einer Art wilder Leidenschaft an das zu glauben, was sie da verkauften. Jeden von ihnen drängte er sogar dazu, sich, wenn möglich, selber ein paar Aktien zuzulegen, um die eigene Aufrichtigkeit zu erhöhen.
    Am fünften Tag stürzte Anthony mit allen Empfindungen eines von der Polizei gesuchten Mannes auf die Straße. Er handelte den Anweisungen gemäß und suchte sich ein hohes Bürogebäude aus, um mit dem Fahrstuhl zum obersten Geschoss hinaufzufahren und sich von oben nach unten vorzuarbeiten, in jedem Büro haltzumachen, das ein Namensschild an der Tür hatte. Doch in letzter Minute zögerte [496] er. Vielleicht wäre es praktikabler, sich erst an die eiskalte Stimmung zu gewöhnen, die ihm, seinem Gefühl nach, entgegenschlagen würde, indem er es zunächst mit ein paar Büros in der, sagen wir, Madison Avenue versuchte. Er ging in eine Arkade, die halbwegs wohlhabend wirkte, und als er ein Schild sah, auf dem »Percy B. Weatherbee, Architekt« geschrieben stand, stieß er heldenmütig die Tür auf und trat ein. Eine steif wirkende junge Frau blickte fragend auf.
    »Ich hätte gern Mr. Weatherbee gesprochen.« Er fragte sich, ob seine Stimme zitterte.
    Zögernd legte sie die Hand auf den Hörer.
    »Ihr Name, bitte?«
    »Er – eh – kennt mich nicht. Er kennt meinen Namen nicht.«
    »Haben Sie geschäftlich mit ihm zu tun? Sind Sie von einer Versicherung?«
    »O nein, nichts dergleichen!«, stritt Anthony eilends ab. »O nein. Es ist – es handelt sich um eine persönliche Angelegenheit.« Er überlegte, ob er diesen Satz hätte sagen sollen. Es hatte so einfach geklungen, was Mr. Carleton seinen Schäfchen mit auf den Weg gegeben hatte: »Lasst nicht zu, dass man euch vor die Tür setzt. Zeigt, dass ihr entschlossen seid, mit ihnen zu reden, und man wird euch anhören.«
    Das Mädchen erlag Anthonys sympathisch schwermütigem Gesicht, und gleich darauf tat sich die Tür zum Hinterzimmer auf und ließ einen hochgewachsenen, linkischen Mann mit geschniegelten Haaren ein. Mit kaum verhohlener Ungeduld trat er auf Anthony zu.
    »Sie wünschen mich in einer persönlichen

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