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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Rückkehr gewannen sie alle so viel Großspurigkeit ab, wie sie nur vermochten.
    Anthony wurde unruhig, als sie dem Lager entgegenrumpelten, fürchtete er doch, dass Dot am Bahnhof geduldig auf ihn warten würde. Zu seiner Erleichterung sah und hörte er nichts von ihr. Da er glaubte, dass sie bestimmt versucht hätte, Kontakt mit ihm aufzunehmen, falls sie sich noch in der Stadt aufhielt, kam er zu dem Schluss, dass sie abgereist sei – wohin, wusste er nicht und wollte es auch nicht wissen. Er wollte nur zu Gloria zurück – einer wiedergeborenen und wunderbar belebten Gloria. Als er endlich entlassen wurde, verließ er seine Kompanie auf der Ladefläche eines großen Lastwagens, inmitten einer Menge, die auf die Offiziere, besonders Captain Dunning, nachsichtige, ja beinahe wehmütige Hochrufe ausgebracht hatte. Der Captain seinerseits hatte ihnen mit Tränen in den Augen eine Ansprache über Vergnügen usw., Arbeit usw., Zeitvergeudung usw., Pflicht usw. gehalten – sehr langweilig und sehr menschlich; nachdem er sich die Rede angehört hatte, erneuerte Anthony, geistig aufgefrischt von der [483] Woche in New York, seinen tiefen Abscheu vor dem Soldatenstand und allem, was damit zusammenhing. In ihren Kinderherzen waren zwei von drei Berufsoffizieren der Meinung, dass Kriege für Armeen da seien und nicht Armeen für Kriege. Er freute sich, als er sah, wie Offiziere und Stabsoffiziere, ihrer Befehlsgewalt beraubt, trostlos auf dem kahlen Land umherritten. Er freute sich, als er hörte, wie die Männer in seiner Kompanie höhnisch über die Anreize lachten, die man ihnen bot, falls sie in der Armee blieben. Sie würden ›Schulen‹ besuchen. Er wusste, was das für ›Schulen‹ waren.
    Zwei Tage später war er bei Gloria in New York.
    Ein weiterer Winter
    An einem Spätnachmittag im Februar kam Anthony ins Apartment. Nachdem er sich durch die kleine Diele getastet hatte, die in der Winterdämmerung pechschwarz war, sah er, dass Gloria am Fenster saß. Sie drehte sich um, als er eintrat.
    »Und, was hat Mr. Haight gesagt?«, fragte sie lustlos.
    »Nichts«, antwortete er, »das Gleiche wie immer. Vielleicht nächsten Monat.«
    Sie musterte ihn eingehend; ihr Ohr, das auf seine Stimme eingestellt war, hörte der einsilbigen Antwort die leiseste Belegtheit an.
    »Du hast getrunken«, bemerkte sie gleichmütig.
    »Zwei, drei Gläschen.«
    »Aha.«
    [484] Er gähnte im Sessel, und einen Augenblick lang lag Schweigen zwischen ihnen. Dann fragte sie unvermittelt: »Bist du überhaupt bei Mr. Haight gewesen? Sag mir die Wahrheit.«
    »Nein.« Er lächelte schwach. »Ich habe schlichtweg keine Zeit gehabt.«
    »Hab ich’s mir doch gedacht, dass du nicht bei ihm warst… Er hat nach dir geschickt.«
    »Das ist mir völlig egal. Ich habe es satt, in seiner Kanzlei herumzusitzen. Man möchte meinen, dass er mir einen Gefallen tut.« Er sah Gloria an, als erwarte er moralische Unterstützung, aber sie war schon wieder damit beschäftigt, das zwielichtige, wenig anziehende Freie zu betrachten.
    »Ich habe so ziemlich genug vom Leben heute«, sagte er zaghaft. Sie schwieg immer noch. »Ich hab jemanden getroffen, und wir haben uns in der Bar vom Biltmore unterhalten.«
    Die Dämmerung war plötzlich düsterer geworden, aber keiner von beiden machte Anstalten, das Licht einzuschalten. In weiß der Himmel was für Gedanken versunken, saßen sie da, bis ein Schneegestöber Gloria einen müden Seufzer entlockte.
    »Was hast du so getrieben?«, fragte er, da er das Schweigen als bedrückend empfand.
    »Ich habe in einer Zeitschrift gelesen – nichts als dümmliche Artikel von wohlhabenden Autoren darüber, wie schrecklich es ist, wenn sich arme Leute Seidenhemden kaufen. Und beim Lesen konnte ich an nichts anderes denken als daran, wie sehr ich mir einen Mantel aus grauem Feh wünsche – und dass wir uns keinen leisten können.«
    [485] »Können wir doch.«
    »O nein.«
    »O doch! Wenn du einen Pelzmantel willst, sollst du einen haben.«
    In ihrer Stimme, die durch das Dunkel drang, schwang Hohn mit.
    »Du meinst, wir können wieder eine Anleihe verkaufen?«
    »Falls erforderlich. Ich will nicht, dass du immer verzichten musst. Aber wir haben viel ausgegeben, seit ich zurück bin.«
    »Ach, halt doch den Mund!«, sagte sie gereizt.
    »Warum?«
    »Weil ich es gründlich satt habe, mir immer anhören zu müssen, was wir ausgegeben oder getan haben. Vor zwei Monaten bist du heimgekehrt, und seitdem haben wir so gut wie jeden

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