Die Schönen und Verdammten
Abend gefeiert. Wir wollten alle beide ausgehen, und so sind wir ausgegangen. Und, hast du mich etwa klagen hören? Aber du jammerst am laufenden Band, nichts als Gejammer! Es ist mir gleich, was wir tun oder was aus uns wird, und wenigstens bin ich konsequent. Aber ich werde dein Genörgel und Unglücksgeschrei nicht mehr dulden…«
»Du bist manchmal auch nicht gerade angenehm, weißt du.«
»Warum sollte ich? Du unternimmst ja nichts, damit es anders wird.«
»Aber ich werde…«
»Hach! Mir ist, als hätte ich das schon einmal gehört. Heute Morgen wolltest du keinen Tropfen mehr anrühren, [486] ehe du dir nicht eine Stelle verschafft hast. Und du hattest nicht einmal den Mumm, zu Mr. Haight zu gehen, als er dich wegen der Klage zu sich gebeten hat.«
Anthony stand auf und knipste das Licht an.
»Jetzt reicht’s aber!«, rief er, heftig zwinkernd. »Ich habe deine scharfe Zunge satt bis hier.«
»Nun denn, was wirst du tun?«
»Glaubst du etwa, ich bin besonders glücklich?«, fuhr er fort und überging ihre Frage. »Glaubst du etwa, ich wüsste nicht, dass wir nicht so leben, wie es uns zukommt?«
Im Nu stand Gloria zitternd neben ihm.
»Ich lasse mir das nicht gefallen!«, platzte sie heraus. »Ich lasse mir von dir nicht die Leviten lesen. Du und dein Leiden! Du bist und bleibst ein erbärmlicher Schwächling!«
Unbeholfen standen sie einander gegenüber, jeder von ihnen unfähig, den anderen zu beeindrucken, jeder von ihnen ungeheuer, ja schmerzlich gelangweilt. Dann zog sie sich ins Badezimmer zurück und verriegelte die Tür hinter sich.
Seine Heimkehr hatte wieder all ihre Verzweiflung aus der Vorkriegszeit nach oben gespült. Die Preise waren besorgniserregend angestiegen und ihr Vermögen demgegenüber auf wenig mehr als die Hälfte der ursprünglichen Höhe zusammengeschrumpft. Da war der hohe Honorarvorschuss für Mr. Haight; da waren die Aktien, die sie für hundert gekauft hatten und die jetzt nur noch dreißig oder vierzig wert waren, und andere Geldanlagen, die überhaupt keinen Gewinn abwarfen. Im vergangenen Frühjahr war Gloria vor die Alternative gestellt worden, entweder aus dem Apartment auszuziehen oder für [487] zweihundertfünfundzwanzig im Monat einen Mietvertrag mit einjähriger Laufzeit zu unterzeichnen. Sie hatte unterzeichnet. Je notwendiger es wurde, sparsam zu sein, desto unweigerlicher stellte das Paar fest, dass sie außerstande waren, hauszuhalten. Wieder bedienten sie sich der alten Politik der Ausflüchte. Der eigenen Unfähigkeit überdrüssig, schwatzten sie davon, was sie alles tun würden – oh, morgen schon –, dass sie »nicht mehr feiern« würden, dass Anthony zur Arbeit gehen würde. Doch wenn es dunkelte, spürte Gloria, die allnächtliche Verabredungen gewohnt war, wie die alte Unruhe sie befiel. Dann stand sie in der Tür zum Schlafzimmer, kaute hemmungslos an ihren Fingern und fing bisweilen Anthonys Blick auf, wenn er von seinem Buch aufsah. Dann ein Anruf, und ihre Nerven entspannten sich, mit kaum verhohlener Ungeduld nahm sie den Hörer ab. Jemand wollte »nur für ein paar Minuten« heraufkommen – und ah, der Stumpfsinn der Verstellung, der Anblick des Kredenztisches, die Wiederbelebung der müden Geister – und das Erwachen, wie mitten in einer schlaflosen Nacht, in der sie sich umherbewegten.
Als der Winter mit der Parade der heimkehrenden Truppen auf der Fifth Avenue verging, wurde ihnen zunehmend klar, dass sich ihre Beziehung seit Anthonys Rückkehr von Grund auf gewandelt hatte. Nach dem Wiedererblühen von Zärtlichkeit und Leidenschaft hatte sich jeder von ihnen einem einsamen Traum überlassen, an dem der andere keinen Anteil hatte, und was sie an Zärtlichkeiten austauschten, wanderte, so schien es, von einem leeren Herzen zum anderen, ein hohles Echo dessen, von dem sie wussten, dass es vergangen war.
[488] Wieder hatte Anthony eine New Yorker Zeitung nach der anderen aufgesucht, und wieder hatte sich ein Kunterbunt an Botenjungen, Telefonistinnen und Lokalredakteuren geweigert, ihm Mut zuzusprechen. Der Bescheid lautete: »Die freien Stellen sind für unsere Leute reserviert, die noch in Frankreich sind.« Dann, Ende März, nach dem wie üblich späten Frühstück, fiel sein Blick auf ein Inserat in der Morgenzeitung, und auf diese Weise fand er endlich etwas, was einer Berufstätigkeit zumindest nahe kam:
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