Die Schönen und Verdammten
sich – im Durchschnitt hielten sie sich jeweils ein paar Monate, mit kürzer währenden Ablenkungen zwischendurch. Ein- oder zweimal hatten sie länger gedauert, und Glorias Mutter hatte gehofft, sie würde sich verloben, doch jedesmal trat ein neuer auf den Plan – ein neuer…
Die Männer? Oh, die hatte sie buchstäblich unglücklich gemacht! Es gab nur einen, der sich seine Würde bewahrt hatte, und der war einfach ein Kind gewesen, der junge Carter Kirby aus Kansas City, und überdies so eitel, dass er eines Nachmittags aus lauter Eitelkeit aus dem Zimmer gestürmt und tags darauf mit seinem Vater nach Europa aufgebrochen war. Die anderen waren – elend gewesen. Nie schienen sie zu begreifen, wann sie genug von ihnen hatte, und Gloria war nur selten mit Vorsatz unfreundlich gewesen. Dauernd riefen sie an, schrieben ihr Briefe, versuchten, sich mit ihr zu treffen, zogen ihr auf langen Reisen im ganzen Land hinterher. Einige hatten sich Mrs. Gilbert anvertraut, ihr mit Tränen in den Augen mitgeteilt, dass sie nie über [110] Gloria hinwegkommen würden – freilich hatten sich zwei von ihnen seitdem verheiratet… Doch Gloria, so schien es, schlug zu, um zu vernichten – bis auf den heutigen Tag rief Mr. Carstairs einmal in der Woche an und schickte ihr Blumen zu, deren Annahme sie nicht einmal mehr verweigerte.
Mehrere Male, mindestens zweimal, war es zu einer privaten Verlobung gekommen, wusste Mrs. Gilbert zu berichten – mit Tudor Baird und mit dem jungen Holcome in Pasadena. Sie war sich sicher, denn – »aber das muss unter uns bleiben« – sie war überraschend hereingekommen und hatte gesehen, wie Gloria sich, nun ja, sehr verlobt aufführte. Natürlich hatte sie mit ihrer Tochter nicht darüber gesprochen. Schließlich besaß sie ein gewisses Taktgefühl, außerdem hatte sie jedesmal mit einer Verlobungsanzeige innerhalb weniger Wochen gerechnet. Doch die Verlobungsanzeige erfolgte nie; statt dessen trat ein neuer Mann auf den Plan.
Szenen! Junge Männer, die in der Bibliothek auf und ab liefen wie Tiger im Käfig! Junge Männer, die sich in der Eingangshalle beim Kommen und Gehen finstere Blicke zuschleuderten! Junge Männer, die anriefen und erleben mussten, dass die Rasende einhängte! Junge Männer, die damit drohten, nach Südamerika auszuwandern! Junge Männer, die die erschütterndsten Briefe schrieben! (Sie ließ es nicht verlauten, doch Dick konnte sich vorstellen, dass Mrs. Gilbert einige dieser Briefe mit eigenen Augen gesehen hatte.)
Und Gloria? Zwischen Weinen und Lachen schwankend, traurig, fröhlich, verliebt, ernüchtert, elend, nervös, kühl, gab sie Geschenke zurück, tauschte Bilder in alten Rahmen aus, nahm heiße Bäder und fing wieder von vorn an – mit dem nächsten.
[111] Dieser Zustand dauerte fort, erweckte den Eindruck der Beständigkeit. Nichts davon schadete Gloria, stimmte sie um oder rührte sie. Doch dann teilte sie ihrer Mutter eines Tages aus heiterem Himmel mit, dass sie junge Studenten leid sei. Auf Collegebälle werde sie ganz bestimmt nicht mehr gehen.
Damit war der Wandel eingeleitet – nicht so sehr hinsichtlich ihrer tatsächlichen Gewohnheiten, denn sie ging nach wie vor tanzen und hatte so viele Rendezvous wie eh und je –, doch nun waren es Rendezvous aus einem anderen Geist. Bis dahin war es um Stolz gegangen, eine Sache ihrer Dünkelhaftigkeit. Wahrscheinlich war sie die gefeiertste und meistbegehrte Schönheit im ganzen Land gewesen. Gloria Gilbert aus Kansas City! Unbekümmert hatte sie davon gezehrt – genoss die Menschentrauben um sich her, die Art und Weise, wie die attraktivsten Männer ihr nachspürten; genoss die wilde Eifersucht anderer Mädchen; genoss die fabelhaften, um nicht zu sagen skandalösen und, wie ihre Mutter gern sagte, völlig unbegründeten Gerüchte über sich – etwa, dass sie eines Abends in einem Abendkleid aus Chiffon in den Swimmingpool von Yale gesprungen sei.
Und nachdem sie all das mit beinahe männlicher Eitelkeit ausgekostet hatte – es war fast so etwas wie eine triumphale und blendende Karriere gewesen –, wurde sie mit einemmal gefühllos. Sie zog sich zurück. Sie, die ungezählte Partys dominiert hatte, die, in Duftwolken gehüllt, vor zahlreichen zärtlich huldigenden Augenpaaren durch vielerlei Ballsäle geschwebt war, schien sich aus alledem nichts mehr zu machen. Wer sich jetzt in sie verliebte, wurde beinahe zornig abgewiesen. Lustlos ging sie mit den mittelmäßigsten [112] Männern aus.
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