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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Wohnviertel und machte sich als Reporter der Sun unverzüglich an die Arbeit. Das ging so ein Jahr lang, nebenher widmete er sich halbherzig und mit mäßigem Erfolg der Schriftstellerei. Eines Tages bereitete ein unglücklicher Umstand seiner Zeitungslaufbahn ein vorzeitiges Ende. An einem [104] Nachmittag im Februar wurde er damit beauftragt, über eine Parade der Reiterschwadron A zu berichten. Statt dessen schlief er, da ein Schneesturm drohte, vor einem wärmenden Feuer ein. Als er aufwachte, setzte er eine eingängige Kolumne über den gedämpften Hufschlag von Pferden im Schnee auf… Diese reichte er ein. Am nächsten Morgen erhielt der Lokalredakteur eine korrigierte Abschrift seines Artikels mit der hingekritzelten Notiz: »Feuern Sie den Mann, der das geschrieben hat!« Offenbar hatte die Reiterschwadron A den Schneesturm ebenfalls heraufziehen sehen – und die Parade auf ein andermal verschoben.
    Eine Woche später begann er mit dem Dämonischen Liebhaber …
    Im Januar, dem Montag der Monate, war Richard Caramels Nase immer blau, ein sardonisches Blau, das irgendwie an die Flammen erinnerte, die an einem Sünder aufzüngeln. Sein Buch war beinahe abgeschlossen, und in dem Maße, wie sein Umfang wuchs, schienen auch seine Anforderungen zu wachsen, sie erschöpften ihn, überwältigten ihn, bis er, ausgezehrt und niedergerungen, im Schatten seines Werks wandelte. Seine Hoffnungen, seine Prahlereien und seine Unschlüssigkeit vertraute er nicht nur Anthony und Maury an, sondern jedem, der sich erbarmte, ihn anzuhören. Er suchte höfliche, doch verständnislose Verleger auf, besprach das Buch mit einem zufälligen Visavis im Harvard Club; Anthony behauptete sogar, ihn eines Sonntagabends dabei angetroffen zu haben, wie er in den Tiefen einer kalten und düsteren Harlemer U-Bahn-Station mit einem literaturbeflissenen Schaffner die Umstellung des zweiten Kapitels [105] erörterte. Und die neueste Vertraute war Mrs. Gilbert, welche stundenlang mit ihm zusammensaß und unter dem heftigen Wechselbeschuss von Bilphismus und Literatur hin und her schwankte.
    »Shakespeare war Bilphist«, versicherte sie ihm mit einem starren Lächeln. »O ja! Er war Bilphist! Das ist erwiesen.«
    Dick machte ein leicht verdutztes Gesicht.
    »Wenn man Hamlet liest, lässt es sich gar nicht übersehen.«
    »Er hat eben in – in einem gläubigeren – einem religiöseren Zeitalter gelebt.«
    Doch jetzt ging sie aufs Ganze: »Das schon, aber der Bilphismus, du verstehst, ist keine Religion. Er ist die Wissenschaft von aller Religion.« Herausfordernd lächelte sie ihn an. Das war der Kernsatz ihres Glaubens. Etwas in der Anordnung ihrer Worte hatte von ihrem Verstand so entschieden Besitz ergriffen, dass sich die Aussage jeder Verpflichtung einer Begriffsbestimmung entzog. Wahrscheinlich hätte sie jede Idee akzeptiert, die in dieser leuchtenden Formel aufging – vielleicht war es gar keine Formel, sondern die reductio ad absurdum aller Formeln.
    Nun war die Reihe endlich an Dick, seinen Coup zu landen.
    »Du hast bestimmt von der ›Neuen Lyrikbewegung‹ gehört. Nein? Nun, es handelt sich um eine Gruppe junger Dichter, die sich von den alten Formen lossagen und eine Menge Gutes bewirken. Damit will ich sagen, dass mein Buch eine neue Prosabewegung auslösen wird, eine Art Renaissance.«
    [106] »Da bin ich mir sicher«, strahlte Mrs. Gilbert. »Da bin ich mir ganz sicher. Letzten Dienstag bin ich zu Jenny Martin gegangen, du weißt schon, die Chiromantin, zu der alle hinrennen. Ich habe ihr erzählt, dass mein Neffe an einem Buch arbeitet, und sie hat gesagt, sie wisse, dass es mich sicher sehr freuen würde zu hören, dass du außerordentlichen Erfolg haben wirst. Dabei hat sie dich noch nie gesehen und wusste nichts von dir – nicht einmal deinen Namen.«
    Dick gab, um seiner Verwunderung über dieses erstaunliche Phänomen Ausdruck zu verleihen, die angemessenen Geräusche von sich, dann winkte er ihr Thema an sich vorüber, als sei er ein selbstherrlicher Verkehrspolizist, und ließ gewissermaßen seinen eigenen Verkehr anrollen.
    »Es nimmt mich völlig in Beschlag, Tante Catherine«, versicherte er ihr, »wirklich. Alle meine Freunde ziehen mich auf – ach, ich verstehe ja, was sie belustigt, und es lässt mich kalt. Ich finde, man muss sich aufziehen lassen können. Aber ich folge meiner Überzeugung«, schloss er traurig.
    »Ich sag’s ja, du bist eine uralte Seele.«
    »Mag sein.« Dick hatte das Stadium erreicht, wo

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