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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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»Ich kann meine Füße einfach nicht stillhalten, wenn ich diese Melodie höre. O Baby!«
    [115] Ihre Fingernägel waren zu lang und zu stark lackiert, sie erglänzten in einem unnatürlichen rosa Fieber. Ihre Kleider waren zu eng, zu modisch, zu bunt, ihre Augen zu spitzbübisch, ihr Lächeln zu geziert. Sie war von Kopf bis Fuß fast mitleiderregend überkandidelt.
    Das andere Mädchen war offenkundig eine subtilere Persönlichkeit. Eine exquisit gekleidete Jüdin war sie, mit dunklem Haar und von reizend milchiger Blässe. Sie schien schüchtern und zerfahren, und diese beiden Eigenschaften unterstrichen den diskreten Charme, den sie verströmte. Ihre Familienmitglieder gehörten heute der Episkopalkirche an, besaßen in der Fifth Avenue drei elegante Damenbekleidungsgeschäfte und residierten in einem prächtigen Apartment am Riverside Drive. Nach wenigen Augenblicken gewann Dick den Eindruck, dass sie Gloria nachzuahmen versuchte – und er überlegte, weshalb die Leute sich hierfür ausgerechnet immer unnachahmliche Persönlichkeiten aussuchten.
    »Wir hatten keinen Augenblick Ruhe!«, rief Muriel begeistert. »Im Bus hat eine verrückte Frau hinter uns gesessen. Sie war einwandfrei und ganz klar plemplem ! Andauernd hat sie mit sich selbst geredet, darüber, was sie irgendjemandem antun würde. Ich war starr vor Schreck, aber Gloria wollte einfach nicht aussteigen.«
    Mrs. Gilbert sperrte gebührend beeindruckt den Mund auf. »Wirklich?«
    »Oh, sie war so was von verrückt. Aber ist ja piepe, sie hat uns ja nichts getan. Und hässlich war sie! Meine Güte! Der Mann uns gegenüber hat gesagt, mit so einem Gesicht wäre sie am besten Nachtschwester in einem Blindenheim, [116] natürlich haben wir alle gewiehert, und der Mann hat versucht, uns abzuschleppen.«
    Bald darauf kam Gloria aus dem Badezimmer, und einträchtig richteten sich aller Augen auf sie. Die beiden Mädchen traten in einen verschwommenen Hintergrund zurück, wurden weder wahrgenommen noch vermisst.
    »Wir haben von dir gesprochen«, sagte Dick rasch, »deine Mutter und ich.«
    »Ah«, sagte Gloria.
    Eine Pause – Muriel wandte sich an Dick.
    »Sie sind ein bedeutender Schriftsteller, nicht wahr?«
    »Ich bin Schriftsteller«, gestand er verlegen.
    »Ich sage immer«, meinte Muriel allen Ernstes, »wenn ich je die Zeit hätte, alle meine Erlebnisse aufzuschreiben – das würde ein wundervolles Buch ergeben.«
    Rachael kicherte beipflichtend; Richard Caramels Verbeugung war fast gravitätisch.
    Muriel fuhr fort: »Aber ich verstehe nicht, wie man sich hinsetzen und schreiben kann. Und Poesie! Du lieber Gott, ich kann keine zwei Zeilen zusammenreimen. Aber warum sich Kopfschmerzen machen.«
    Richard hielt mit Mühe einen Lacher zurück. Gloria kaute mal wieder an einem Weingummi und starrte übellaunig aus dem Fenster. Mrs. Gilbert räusperte sich und strahlte.
    »Aber schauen Sie«, sagte sie im Sinne einer umfassenden Erklärung, »Sie sind eben keine uralte Seele – wie Richard.«
    Die »uralte Seele« stieß einen Seufzer der Erleichterung aus – endlich war das Wort gefallen!
    [117] Dann, als hätte sie fünf Minuten darüber nachgedacht, kündigte Gloria unvermittelt an: »Ich gebe eine Party.«
    »Oh, darf ich kommen?«, rief Muriel mit vorwitziger Kühnheit.
    »Ein Dinner. Sieben Gäste: Muriel und Rachael und ich, und du, Dick, und Anthony und dieser Mann namens Noble – er hat mir gefallen – und Bloeckman.«
    Muriel und Rachael verfielen in leise schnurrende Begeisterungsausbrüche. Mrs. Gilbert zwinkerte strahlend. Mit gespielter Gleichgültigkeit schaltete Dick eine Frage ein: »Wer ist dieser Bloeckman, Gloria?«
    Gloria, leise Feindseligkeit witternd, wandte sich ihm zu.
    »Joseph Bloeckman? Das ist doch dieser Filmmensch. Vizepräsident von Films Par Excellence. Er und Vater haben geschäftlich viel miteinander zu tun.«
    »Oh!«
    »Also, kommt ihr alle?«
    Alle wollten kommen. Ein Tag in der kommenden Woche wurde festgesetzt. Dick erhob sich, rückte Hut, Mantel und Schal zurecht und schenkte allen ein Lächeln.
    »Wiedersehen«, sagte Muriel und winkte fröhlich, »rufen Sie mich doch mal an.«
    Richard Caramel errötete für sie.
    Das bedauernswerte Ende des Chevaliers O’Keefe
    Es war Montag, und Anthony lud Geraldine Burke zum Mittagessen im Beaux Arts ein – hinterher gingen sie hinauf in sein Apartment, und er rollte den kleinen Servierwagen [118] herbei, der seinen Vorrat an Alkohol enthielt, und wählte als

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