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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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lang außer Gefecht gesetzt.
    Schließlich löste sich das Problem mit unverhoffter Romantik ganz von selbst. Eines Nachmittags kam Anthony ins Wohnzimmer gerannt und verkündete strahlend »die Idee«.
    »Ich hab sie«, rief er aus, als hätte er soeben eine Maus gefangen. »Wir schaffen uns ein Auto an.«
    »Menschenskind! Haben wir nicht genug mit uns selbst zu tun?«
    »Lass mir doch wenigstens eine Sekunde Zeit, dass ich es dir erklären kann! Wir lassen unsere Sachen einfach bei Dick, packen einfach nur ein paar Koffer in den Wagen, den wir uns kaufen werden – auf dem Land brauchen wir ohnehin einen –, und fahren einfach in Richtung New Haven. Verstehst du, sobald wir uns aus dem Umkreis von New [231] York hinausbewegen, werden die Mieten billiger, und sobald wir ein Haus gefunden haben, das uns gefällt, lassen wir uns einfach nieder.«
    Mit der häufigen und besänftigenden Einschaltung des Wortes »einfach« weckte er ihre träge Begeisterung. Indem er heftig durchs Zimmer stolzierte, täuschte er kraftvolle und unwiderstehliche Tüchtigkeit vor. »Morgen kaufen wir ein Auto.«
    Nach den Siebenmeilenstiefeln der Phantasie war das Leben eine flügellahme Angelegenheit: Eine Woche später verließen sie die Stadt in einem billigen, aber funkelnagelneuen Sportkabriolett, fuhren durch das unbegreifliche Gewirr der Bronx, dann durch ein breites, düsteres Viertel, in dem sich freudlose blau-grüne Ödflächen mit Vorstädten ungeheurer und scheußlicher Betriebsamkeit abwechselten. Um elf waren sie aus New York heraus, und als sie in flottem Tempo durch Pelham fuhren, war es schon längst Nachmittag und beseligend warm.
    »Das sind doch keine Städtchen«, sagte Gloria verächtlich, »das sind Großstadtblocks, die man lieblos mitten ins Brachland gestellt hat. Ich stelle mir vor, dass sich die Männer hier alle den Schnurrbart bekleckern, weil sie morgens zu hastig ihren Kaffee trinken.«
    »Und in den Pendlerzügen spielen sie Pinokel.«
    »Was ist Pinokel?«
    »Nimm mich doch nicht so wörtlich. Woher soll ich das wissen? Aber es klingt so, als sollten sie so etwas spielen.«
    »Es gefällt mir. Es klingt so, als wäre es ein Spiel, bei dem man sich die Knöchel anknackst oder so ähnlich… Lass mich fahren.«
    [232] Anthony sah sie argwöhnisch an.
    »Schwörst du mir, dass du eine gute Fahrerin bist?«
    »Seit ich vierzehn war.«
    Vorsichtig hielt er den Wagen am Straßenrand an, und sie tauschten die Plätze. Dann wurde mit einem entsetzlich knirschenden Geräusch der Gang eingelegt, und Gloria fügte eine Begleitmusik aus Gelächter hinzu, die Anthony besorgniserregend und äußerst geschmacklos vorkam
    »Jetzt fahren wir!«, schrie sie gellend. »Juchhe!«
    Ihre Köpfe ruckten zurück wie Marionetten an einem einzigen Draht, als der Wagen einen Satz nach vorn machte und quietschend um einen geparkten Milchwagen kurvte, dessen Fahrer sich auf den Sitz stellte und ihnen etwas nachbrüllte. In traditioneller Straßenmanier revanchierte sich Anthony mit ein paar kurzen Epigrammen über die Grobheit des Milchlieferantengewerbes. Allerdings kürzte er seine Bemerkungen ab und wandte sich Gloria in der wachsenden Überzeugung zu, dass er einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte, als er ihr das Steuerrad überließ, und dass Gloria eine Fahrerin von größter Launenhaftigkeit und unendlichem Leichtsinn war.
    »Vergiss nicht!«, mahnte er sie gereizt. »Der Verkäufer hat gesagt, dass wir die ersten siebeneinhalbtausend Kilometer nicht schneller als dreißig Stundenkilometer fahren sollen.«
    Sie nickte flüchtig, erhöhte indessen leicht die Geschwindigkeit in der offenkundigen Absicht, die übermäßig weite Entfernung so schnell wie möglich zurückzulegen. Einen Augenblick später nahm er einen neuen Anlauf.
    »Siehst du das Schild? Willst du etwa, dass wir geschnappt werden?«
    [233] »Ach, Himmel noch mal«, rief Gloria erbittert, »dass du aber auch immer so übertreiben musst!«
    »Ich will nur nicht festgenommen werden.«
    »Wer soll dich denn festnehmen? Du bist so stur – wie gestern Abend wegen meines Hustensafts.«
    »Das war nur zu deinem eigenen Besten.«
    »Ha! Genauso gut könnte ich mit Mama zusammenleben.«
    »Wie kannst du so etwas nur sagen!«
    Plötzlich kam ein Polizist ins Blickfeld, der am Straßenrand stand, und wurde eilends passiert.
    »Hast du gesehen?«, fragte Anthony.
    »Ach, du machst mich wahnsinnig! Er hat uns ja nicht festgenommen, oder?«
    »Wenn er es tut, ist es zu

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