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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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sagte sie leicht gereizt. »Was in aller Welt kann man mit ihnen bereden – außer damenhaft zu plaudern? Ich habe mich für ein Dutzend Babys begeistern müssen, die ich am liebsten erdrosselt hätte. Und jedes dieser Mädchen ist entweder eifersüchtig und argwöhnisch gegen ihren Mann, falls er charmant ist, oder fängt an, sich mit ihm zu langweilen, falls er es nicht ist.«
    »Hast du nicht vor, je wieder eine Frau zu besuchen?«
    »Ich weiß nicht. Sie kommen mir nie sauber vor – nie, nie. Bis auf einige wenige. Constance Shaw – weißt du, diese Mrs. Merriam, die uns letzten Dienstag besucht hat – ist fast die Einzige. Sie ist so groß und sieht so frisch und vornehm aus.«
    »So groß gefallen sie mir nicht.«
    Obwohl sie an mehreren Abendgesellschaften mit Tanz in verschiedenen ländlichen Klubs teilnahmen, befanden sie, dass der Herbst nun schon fast vorbei war und sie nicht mehr groß »ausgehen« konnten, selbst wenn ihnen danach zumute gewesen wäre. Er hasste Golf; Gloria machte sich nicht viel daraus; und obwohl sie einen Massenansturm genoss, als eines Abends einige jüngere Studenten sie umdrängten, und sich darüber freute, dass Anthony auf ihre [246] Schönheit stolz war, entging ihr doch nicht, dass ihre Gastgeberin an diesem Abend, eine Mrs. Granby, leicht beunruhigt war, weil Anthonys Kommilitone Alec Granby sich der Menge voller Begeisterung anschloss. Die Granbys riefen nie mehr an, und auch wenn Gloria lachte, war sie doch leicht pikiert.
    »Verstehst du«, erklärte sie Anthony, »wenn ich nicht verheiratet wäre, würde sie sich keine Sorgen machen – aber zu ihrer Zeit ist sie ins Kino gegangen, und jetzt denkt sie, ich sei womöglich ein Vamp. Aber das Entscheidende ist: Solche Leute zu besänftigen erfordert eine Anstrengung, die ich einfach nicht auf mich zu nehmen gewillt bin… Und diese niedlichen kleinen Erstsemester, die mir Augen machen und dümmliche Komplimente! Ich bin erwachsen geworden, Anthony.«
    Marietta selbst bot wenig Geselligkeit. Ein halbes Dutzend Gutshöfe bildete ein Sechseck um das Dorf herum, doch diese gehörten steinalten Männern, die sich nur als schwerfällige, grauhaarige Klumpen im Fond ihrer Limousinen zeigten, auf dem Weg zum Bahnhof, wohin sie zuzeiten von ihren ebenso steinalten und doppelt massigen Frauen begleitet wurden. Die Stadtbewohner – unverheiratete Frauen herrschten vor – waren ein besonders uninteressanter Menschenschlag; ihr geistiger Horizont war auf Schulfeste beschränkt, und ihre Seelen waren so freudlos wie die weiße Architektur der drei Kirchen. Die einzige Einwohnerin, mit der sie in engere Berührung kamen, war das Schwedenmädchen mit den breiten Hüften und Schultern, das jeden Tag kam, um die Hausarbeit zu verrichten. Sie war schweigsam und tüchtig, und als Gloria sie einmal [247] in der Küche antraf, wie sie am Tisch heftig in ihre verschränkten Arme weinte, bekam sie ungeheure Angst vor ihr und unterließ es, sich über das Essen zu beklagen. Ihres unsäglichen, geheimen Kummers wegen durfte das Mädchen bleiben.
    Glorias Hang zu Vorahnungen und ihre Anfälle von vagem Aberglauben kamen für Anthony völlig überraschend. Irgendein Komplex, der in den frühen Jahren des Zusammenlebens mit ihrer bilphistischen Mutter zu Recht und aus wissenschaftlichen Gründen unterdrückt worden war, oder eine ererbte Überempfindlichkeit machten sie empfänglich für jede Andeutung von Übersinnlichem, und obwohl weit davon entfernt, sich über die Motive der Menschen zu täuschen, neigte sie dazu, an jedes außergewöhnliche Geschehen zu glauben, das dem wunderlichen Umhertappen der Toten zugeschrieben werden konnte. Die schrecklichen Knarrgeräusche, die in windigen Nächten das Haus erfüllten und die für Anthony von Einbrechern mit schussbereiten Revolvern stammten – für Gloria stellten sie die bösen und widerspenstigen Auren verstorbener Generationen dar, die auf dem romantischen alten Herd das Unsühnbare sühnten. Eines Nachts lagen sie wegen zwei rascher Schläge im Erdgeschoss, denen Anthony furchtsam, aber vergeblich nachgegangen war, fast bis zum Morgengrauen wach und stellten sich gegenseitig Prüfungsfragen über die Geschichte der Welt.
    Im Oktober kam Muriel zu einem zweiwöchigen Besuch herausgefahren. Gloria hatte ein Ferngespräch mit ihr geführt, und charakteristischerweise hatte Miss Kane das Gespräch mit dem Satz beendet: »Ist ja schon gut. Ich komme [248] und bringe gute Laune mit.« Sie kam mit

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