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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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jemand gesagt, dass er Durst hat?«
    Anthony lachte rauh und erhob sich mit einem linkischen und amüsierten Grinsen aus dem Bett.
    »Mit nur einem kleinen bisschen Eis im Wasser«, fügte sie hinzu. »Meinst du, ich könnte so etwas bekommen?«
    Gloria benutzte das Adjektiv »klein« immer dann, wenn sie um einen Gefallen bat – so klang der Gefallen weniger anstrengend. Aber Anthony lachte wieder – ob sie nun einen Würfel oder eine Kugel Eis wollte, er musste in die Küche hinuntergehen… Ihre Stimme folgte ihm durch die Diele: »Und nur einen kleinen Cracker mit nur einem kleinen bisschen Marmelade darauf…«
    »Menschenskinder!«, seufzte Anthony verzückt. »Wunderbar, dieses Mädel! Die weiß, wie!«
    »Wenn wir einen Sohn haben«, fing sie eines Tages an – es war bereits entschieden worden, dass dies nach drei Jahren erfolgen sollte –, »möchte ich, dass er so aussieht wie du.«
    »Bis auf seine Beine«, gab er schlau zu verstehen.
    »Ach ja, bis auf seine Beine. Er muss meine Beine haben. Aber der Rest darf von dir sein.«
    »Auch meine Nase?«
    Gloria zögerte.
    »Na schön, vielleicht meine Nase. Aber ganz bestimmt [243] deine Augen – und meinen Mund, und ich denke auch, meine Gesichtsform. Ich überlege gerade; ich glaube, er sähe niedlich aus, wenn er auch meine Haare hätte.«
    »Meine liebe Gloria, du hast das ganze Kind für dich vereinnahmt.«
    »Das wollte ich gar nicht«, entschuldigte sie sich gutgelaunt.
    »Darf er wenigstens meinen Hals haben?«, drängte er sie und betrachtete sich feierlich im Spiegel. »Du hast oft gesagt, dass du meinen Hals magst, weil man den Adamsapfel nicht sieht, und außerdem ist dein Hals zu kurz.«
    »Ach wo, ist er nicht!«, rief sie empört und wandte sich zum Spiegel. »Er ist genau richtig. Ich glaube nicht, dass ich je einen schöneren Hals gesehen habe.«
    »Er ist zu kurz«, wiederholte er neckend.
    »Kurz?« Ihr Tonfall drückte erbitterte Verwunderung aus. »Kurz? Du bist verrückt!« Sie dehnte ihren Hals und zog ihn wieder zusammen, um sich von seiner reptilienähnlichen Geschmeidigkeit zu überzeugen. »Nennst du das einen kurzen Hals?«
    »Einen der kürzesten, die ich je gesehen habe.«
    Zum ersten Mal seit Wochen traten Gloria Tränen in die Augen, und der Blick, den sie ihm zuwarf, drückte ungeheuchelten Schmerz aus.
    »O Anthony…«
    »Herrgott, Gloria!« Bestürzt ging er auf sie zu und nahm ihre Ellbogen in seine Hände. »Bitte, wein doch nicht! Merkst du denn nicht, dass ich dich nur verkohle? Gloria, sieh mich an! Liebste, du hast den längsten Hals, den ich je gesehen habe. Ehrlich!«
    [244] Ihre Tränen lösten sich in einem verzerrten Lächeln auf.
    »Dann hättest du das aber nicht sagen dürfen. Lass uns von unserm B-Baby reden.«
    Anthony ging auf und ab und sprach, als probe er für eine Debatte.
    »Kurz gesagt gibt es zwei Babys, die wir haben könnten, zwei klar und logisch unterschiedene, vollkommen andersgeartete Babys. Da ist einmal das Baby, das das Beste an uns beiden auf sich vereinigt – deinen Körper, meine Augen, mein Gemüt, deine Intelligenz. Und dann gibt es das Baby, das von beiden das Schlimmste kombiniert – meinen Körper, deine Grillenhaftigkeit und meine Unschlüssigkeit.«
    »Ich mag das zweite Baby«, sagte sie.
    »Mir wäre am liebsten«, fuhr Anthony fort, »wir könnten im Abstand von einem Jahr zweimal Drillinge haben und dann mit den sechs Buben experimentieren…«
    »Ich Arme«, unterbrach sie ihn.
    »Ich würde jeden von ihnen in einem anderen Land und in einem anderen Schulsystem erziehen lassen, und wenn sie dreiundzwanzig wären, würde ich sie zusammenrufen, um zu sehen, wie sie geraten sind.«
    »Sie sollen alle meinen Hals haben«, schlug Gloria vor.
    Das Ende eines Kapitels
    Endlich war der Wagen repariert und setzte mit Rachsucht wieder dort an, wo er aufgehört hatte: beim Auslösen unendlicher Streitereien. Wer sollte am Steuer sitzen? Wie schnell durfte Gloria fahren? Diese beiden Fragen und die [245] ständigen Vorwürfe, die sich daraus ergaben, durchzogen die Tage. Sie fuhren nach Rye, Portchester und Greenwich, den Städtchen an der Post Road, und besuchten ein Dutzend Freunde, meist Freundinnen von Gloria, die alle Kinder verschiedener Altersstufen hatten und Gloria in dieser wie in anderer Hinsicht bis zur Raserei langweilten. Nach jedem Besuch kaute sie eine Stunde lang heftig an ihren Fingern und neigte dazu, ihren Groll an Anthony auszulassen.
    »Ich verabscheue Frauen«,

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