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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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einem Dutzend populärer Songs unterm Arm.
    »Ihr solltet hier draußen auf dem Lande ein Grammophon haben«, sagte sie, »nur einen kleinen Vic – die kosten nicht viel. Dann habt ihr, wenn ihr euch einsam fühlt, immer gleich Caruso oder Al Jolson im Haus.«
    Sie brachte Anthony mit den Worten zur Raserei, er sei »der erste kluge Mann«, den sie je kennengelernt habe, sie sei »die oberflächlichen Menschen ja so leid«. Er war verwundert, dass Männer sich in solche Frauen verliebten. Aber dann sagte er sich, dass, mit einem gewissen leidenschaftlichen Blick betrachtet, selbst sie weich und verheißungsvoll wirken mochte.
    Gloria hingegen, die ungestüm ihre Liebe zu Anthony bekundete, ließ sich zerstreuen, bis sie sich in einem Zustand schnurrender Zufriedenheit befand.
    Schließlich traf Richard Caramel zu einem gesprächsreichen und für Gloria schmerzlich literarischen Wochenende ein, in dessen Verlauf er mit Anthony, als sie schon lange oben in kindlichem Schlummer lag, über sich selbst sprach.
    »Ist schon irrsinnig komisch, dieser Erfolg und all das«, sagte Dick. »Kurz bevor der Roman erschien, hatte ich ohne Erfolg versucht, ein paar Kurzgeschichten unterzubringen. Dann, als mein Buch herauskam, habe ich drei überarbeitet, und eine der Zeitschriften, die sie vorher abgelehnt hatten, hat sie angenommen. Seitdem habe ich Unmengen davon geschrieben; der Verlag zahlt erst diesen Winter für mein Buch.«
    »Sieh zu, dass der Sieger nicht unter die Beute fällt.«
    »Du meinst, Schund schreiben?« Er dachte nach. »Wenn [249] du damit meinst, dass man absichtlich überall ein rührseliges Ende einbaut – das tue ich nicht. Aber ich nehme schon an, dass ich nicht mehr so sorgfältig arbeite. Ganz bestimmt schreibe ich schneller, und ich scheine nicht so viel nachzudenken wie früher. Vielleicht liegt’s daran, dass ich nicht mehr so viele Gespräche führe, jetzt, wo du verheiratet bist und Maury nach Philadelphia gezogen ist. Hab den alten Stachel und Ehrgeiz nicht mehr. Früher Erfolg und all das.«
    »Beunruhigt dich das nicht?«
    »Wahnsinnig. Ich kriege etwas, das ich Satzfieber nenne, so ähnlich wie Jagdfieber – eine Art heftiger literarischer Unsicherheit, die mich befällt, wenn ich mich zu zwingen versuche. Aber die wirklich furchtbaren Tage sind nicht die, an denen ich glaube, nicht schreiben zu können. Sondern die, an denen ich mich frage, ob es sich überhaupt lohnt zu schreiben – ich meine, ob ich nicht eine Art besserer Hanswurst bin.«
    »Ich mag es, wenn du so daherredest«, sagte Anthony mit einem Anflug seiner alten gönnerhaften Überheblichkeit. »Ich hatte schon befürchtet, dass du aufgrund deiner Arbeit ein bisschen schwachsinnig geworden seist. Hab das idiotische Interview gelesen, das du gegeben hast…«
    Dick unterbrach ihn mit schmerzverzerrter Miene.
    »Herr im Himmel! Erwähn bloß das nicht. Das hat ’ne junge Dame verbrochen – eine höchst verehrungsvolle junge Dame. Hat mir gesagt, mein Werk sei ›stark‹, da hab ich den Kopf verloren und eine Menge merkwürdiger Aussprüche von mir gegeben. Einiges davon war aber gut, findest du nicht?«
    »O ja, die Stelle, wo es heißt, der kluge Autor schreibe für [250] die Jugend seiner eigenen Generation, der Kritiker für die nächste und der Schulmeister für die Ewigkeit.«
    »Oh, davon bin ich ziemlich fest überzeugt«, gestand Richard Caramel mit einem schwachen Lächeln. »Es war nur ein Fehler, es lauthals zu verkünden.«
    Im November zogen sie in Anthonys Apartment, von wo sie triumphierend aufbrachen zu den Footballbegegnungen zwischen Yale und Harvard und zwischen Harvard und Princeton, zur Eislaufbahn von St. Nicholas, zu einer gründlichen Tour durch die Theater und einer bunten Mischung an Belustigungen – von kleinen, biederen Tanzveranstaltungen bis zu den von Gloria geliebten großen Bällen, die in jenen paar Häusern gegeben wurden, wo unter Anleitung imposanter Haushofmeister in prächtiger Anglomanie Lakaien mit gepuderten Perücken umhertrippelten. Sie hatten die Absicht, zu Jahresbeginn ins Ausland zu fahren, auf jeden Fall aber, wenn der Krieg vorüber wäre. Anthony hatte tatsächlich einen Essay über das zwölfte Jahrhundert vollendet – eine Einführung in sein Buchprojekt im Stile Chestertons – und Gloria eingehende Untersuchungen über die Frage russischer Zobelpelze durchgeführt. Ja, der Winter rückte recht behaglich näher, als der bilphistische Demiurg Mitte Dezember plötzlich

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